Zwanglose Blätter, Nr. 11, vom 23. April 1848

durch Erwerblosigkeit herabgekommen, oft aus Hunger verküm= mern, und in feuchten dumpfigen Löchern nur Nahrung für die Krankheit finden, vermag sie ihnen Speise, Ersatz für die feh= lende reine Luft sogar zu verschaffen, für den Augenblick ein hinreichendes Stück Geld zu spenden, und für die Zukunft die Aussicht auf Erwerb zu eröffnen? Und nun wir Aerzte. Wir dürfen uns gegenseitig ohne Eifersüchtelei, aber auch ohne prunkendes Lobhudeln bezeugen, das Unsrige rechtschaffen beizutragen. Wenn man für unsere Bemühungen angemessene Beträge spezifizirte, wahrlich, es stellte sich für einen Jeden ein hübsches Sümmchen "Haben" heraus. Es sei, und bleibe aber eine freiwillige Steuer auf dem Altare der Menschenliebe dargebracht! Aber nur ja keine unsere Existenz untergrabende Robot! Auch unsere Familien haben Ansprüche, welche zu befriedigen ein Jeder von uns zunächst berufen ist. Der Brunnen, aus welchem nur geschöpft wird versiegt; der Baum, welchem die nährenden Säfte abgeleite werden, verdorrt, und treibt kein schattengebendes Laub. So kann auch Keiner von uns der Privatpraxis entbehren, Keiner sich der großen Armenpraxis*) allein und ganz hingeben. Der Pauperismus, welcher schon überall seine Geißel schwingt, in Städten mehr als auf dem Lande feste Wurzeln schlägt ist auch an Steyr nicht vorübergegangen; wir sehen ihn in seinem üppigsten Flore. Nur unsere vereinten Kräfte setzen uns in den Stand die Ehre des ärzlichen Berufes gegenüber den in jetzi= ger Zeit Noth thuenden Anstalten zu wahren. Ein Uebelstand, welcher unsere Thätigkeit zu sehr versplit= tert, liegt darin, daß uns die Armen aus allen Theilen Steyrs zukommen, wodurch ein Jeder von uns die ganze Stadt auf= und abgehen, somit eine äußerst unverhältnißmässige Zeit der Ar= menpraxis widmen muß, und ihr zuletzt doch nicht genügen kann. Diesem zu begegnen schlage ich vor die Stadt in drei Ar= menbezirke zu theilen. Ich habe zu diesem Zwecke das (letzte) Bezirkssummarium vom Jahre 1846 ausgehoben, und nachste= hende drei Bezirke entworfen, in welchen die Dichtigkeit der Be= völkerung und die Ausdehnung des Terrains sich gegenseitig aus= gleichen dürften: I. Armenbezirk. Die Stadt mit 2003 Einwohnern, Vorstadt Voglsang mit 146 Ort 598 Zusammen 2747 *) Vom eben abgeflosseuen Quartale liegen siebenhundert vier und siebenzig Rezepte fur Institutsarme vor, welchen eine An= zahl von mehr als tausend Krankenbesuchen entsprechen dürfte. II. Armenbezirk. Die Vorstadt Steyrdorf mit 1591 Einwohnern, Bei der Steyr 978 Wieserfeld 1268 Aichet 1556 Zusammen 5393 III. Armenbezirk. Die Vorstadt Reichenschwall 403 Einwohnern, Schönau mit 292 Ennsdorf 919 und das Dorf Ramingsteg 377 Zusammelt 1991 Ich erbiete mich zur Uebernahme des ersten Armenbezir= kes und will die ärztliche Behandlung der bettliegerigen Armen, welche sich aus demselben an mich wenden gegen Vorbehalt der Priorität meiner ämtlichen Obliegenheiten so lange besorgen, bis in den bisherigen ärztlichen Verhältnissen eine Aenderung ein= tritt. Fur die sogenannten ambulatorischen Kranken habe ich ohnehin die Ordinationsstunden von 7—8 Uhr Morgens, und von 1—2 Uhr Nachmittags festgesetzt, und es ist zu diesen auch für die Armen freier Zutritt. Möge hiemit kein Anlaß zu Mißdeutungen, sondern viel= mehr ein Beweis gegeben sein, daß mein ernstliches Bestreben dahin ziele thatsächlich darzuthun, wie sehr ich mich glucklich schätze meine geringen Kräfte einer Stadt widmen zu dürfen, in deren Mauern einst zu wirken, ein durch die Biederkeit und Leutseligkeit der mir bekannt gewordene Steyrer seit Jahren her= vorgerufener und unablässig gehegter Wunsch war. Und nun meine Herrn Collegen, fordere ich Sie auf meine dargebotene Hand zu ergreifen, auf daß wir in Einigkeit und Einheit jenen menschenfreundlichen Frager in genügender Weise bescheiden, und den um ihre verlorne Gesundheit bangen Armen beruhigende und trösiende Anhaltspunkte gewähren! Ich habe gewählt; jetzt ist es an Ihnen! Steyr am 10. April 1848 Dr. v. Pflichtenheld, k. k. Kreisphysikus. Gefertigter erklärt sich mit der vom Herrn Kreisarzte ge= gebenen Auseinandersetzung, so wie mit der den Wohnungen der Aerzte am meisten entsprechenden Vertheilung der Armenbezirke vollkommen einverstanden, und erbietet sich bis zu einer in den ärztlichen Verhältnissen eintretenden Veränderung einstweilen den projektirten zweiten Armenbezirk zu übernehmen. Dr. Krakowitzer. Dieselbe Erklärung gebe ich in Bezug auf den 3ten Ar= menbezirk ab. Dr. v. Koenig. Briefwechsel.*) Hrn. F. X. Sch. in Altmkt. Die besprochene Anmerkung des W. Z. war so stilisirt, daß der Leser füglich eine spätere Ein= mengung der (wenn gleich als aufgehoben erklärten) Zensur ver= muthen konnte. Leider scheinen solche Fälle hie und da nichts Seltenes zu sein, woran jedoch nur die Redakteure selbst Schuld sind. Uebrigens muß der Verfasser eines unklar geschriebenen Ar= tikels die Folgen der Mißdeutung tragen, welche im vorliegenden Falle durch die Lächerlichkeit des übrigen hauptsächlich gerüg= ten Aufsatzes mehr als gerechfertigt wird. An Schmähung und Persönlichkeit kann bei richtiger Auf= fassung unsrer Blätter nicht wohl gedacht werden; ohne daher Ihre Gesinnung über Hr. E— unbedingt zu theilen oder schmä= lern zu wollen, behalten wir uns gerne Ihre Glukwünsche vor — zur vergleichweisen Würdigung unsres Institu= tes, und werden unterdessen nicht ermangeln, so wie bisher die Sünder wider den heiligen Geiste scharf aufs Korn zu nehmen. ec. ec. ec. Hr. J. A. in L. Wir können von Ihrer Mittheilung keinen Gebrauch machen, da wir vernommen, daß sich die für unsere Zeit und in dieser Art sehr bedenkliche Spaltung zwischen der Nationalgarde und dessen integrirender Theil, dem Bürgerkorps zu W. auf eine erfreuliche Weise aufgehoben habe. Hr. J. M. in O. Wir danken Ihnen für die Nachricht, daß unser Blatt in Ihrer Gegend so vielen Anklang findet, und dessen Gesinnung erkannt wird. *) Um der mehr und mehr anwachsenden Zahl von Zuschriften, welche an die Redaktion gelangen, eine sowol in Interesse unserer Korrespondenten als jenem der Redaktion selbst gegrundete schnelle Erledigung zu sichern, eröffnen wir zur Erspar= niß von Zeit, Mühe und Porto nach dem Beispiele periodischer Blätter jeder Größe und Richtung einen Briefwechsel, worauf wir freundlichst jene Theilnehmer an unserm Unternehmen verweisen, denen nach Maßgabe ihrer Mittheilung an uns nicht eine abgesonderte schriftliche Beantwortung zukommen sollte. Die Red. (Mit einem Anzeiger Nr. 6.) Verantwortlicher Redacteur Alex. Jul. Schindler; Mitredakteur des nichtpolitischen Theiles F. W. Arming. Druck und Verlag von Sandbök und Haas in Steyr.

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