Zwanglose Blätter, Nr. 7, vom 9. April 1848
Pfefferkörner. Fragen an das Ministerium, welche die Wienerzeitung vom 5. d. M. bringt, sprechen ganz trefflich die öffentliche Meinung aus. Niemand glaubt es mehr, daß die Regie= rung aus Italien ohne Nachricht sei und so fragt die Wie= nerzeitung: "Warum verschmäht die Regierung, die uns Oeffertlichkeit zugeschworen hat, in der bedenklichsten Epoche voll Spannung und Sorge das offene Wort an das freie Volk?" Bureaukratische Geheimthuerei macht sich noch im= mer breit. Die Staatsmänner des neuen Systemes haben ein schwere Aufgabe "Anfangen," sie bedürfen unserer Geduld und Nachsicht. Die Staatsmänner des alten Sy= stemes haben eine gar leichtere Aufgabe "Aufhören". Mögen sie nicht länger zaudern diese verdienstvolle That mit Entschiedenheit auszuführen. Während die Tyrolerstände mit begeisterndem Pa= triotismus erklären, einstweilen keine Petition an den Kai= ser stellen zu wollen, dafür aber seine Armee zur unverletz= ten Behauptung des Kaiserstaates mit Jägern zu verstärken, fehlt es diesem schönen Alpenlande leider auch nicht an Leu= ten, denen der Zopf noch gewaltig hinten hängt. So wol= len die Innsbrucker lauter Separatkorps errichten; die ab= solvirten Juristen und Praktikanten (meist altgediente Leute wollen für sich besondere Kompagnien bilden. Hr. Martin Mayr, ein witziger Kopf, geißelt diesen Kastengeist treffend in einem gedruckten Blatte, das er an allen öffentlichen Orten Insbrucks verbreiten ließ und dessen Inhalt wir hier folgen lassen: "Zur Aufrechthaltung der althergebrachten Ordnung und zur Dämpfung des erwachenden Gemeinsinnes in unserer Stadt hat sich auch der Unterzeichnete entschloßen ein Se= parat=Korps zu errichten. —" "Jedermann, der aufrichtigen Widerwillen vor dem Fortschritten unserer Zeit und dem aufstrebenden Bürger= thum in sich fühlt, wird daher eingeladen, sich zur Auf= nahme in dieses Separat=Korps bei dem Gefertigten zu melden. — Durch Errichtung mehrerer solcher Se= parat=Korps hofft man der Bildung eines ächten Na= tional=Geistes und aus ihm der Organisirung einer allge= meinen einigen Nationalgarde am Wirksamsten zu begegnen. Es lebe der alte Zopf!!!" Krebsgangshausen am 30. März 1848. Hans Michel. "Ich sehe nicht ein," sagte dieser Tage ein kluger Mann zu einem Steyrer=Nationalgarden, "was euer nächtliches Pa= trouilliren bedeuten soll. Zeigt mir die Resultaten desselben Wen habt ihr eingefangen? Vagabunden, die ausweislos des Nachts in den Strassen herumschlichen; nicht einen ein= zigen Verbrecher von Bedeutung!" Briefe. Wien am 5. April. Ich bin in der angeneh= men Lage Ihnen dießmal lauter glückliche Ereignisse schrei= ben zu können. Erzherzog Ludwig ist über sein Ansuchen vom Kaiser jeder ferneren Dienstleistung in Staatsgeschäften enthoben worden. Es ist gut daß es so gekommen ist und daß es schnell so gekommen ist: das starre Festhalten dieses Prinzen an dem alten Systeme mußte einer Regierung, auf die er direkten Einfluß nehmen konnte, das Volksvertrauen entziehen. Auch der unbeliebte Fürst Windischgrätz ist end= lich seiner Stellung als Civil= und Militär=Gouverneur von Wien enthoben und als Kommandirender der Nordarmee nach Mähren und Schlesien beordet. An der Stelle des abgedankten Erzherzogs Albrecht ist Graf Auersperg, bishe= riger Kommandirender in Linz, zum Kommandirenden von Niederösterreich ernannt. Die Stände, die Bürger, die Fa= kultätsmitglieder, die Schriftsteller und die Studenten von Wien haben Deputationen gewählt, welche beim deutschen Volkstage zu Frankfurt am Main Oesterreich vertreten sollen. Die Deputation der Fakultätsmitglieder (Professoren und Doktoren) haben den Auftrag erhalten, die bisher in der kaiserlichen Schatzkammer verwahrt gelegenen deutschen Reichsinsignien dem Bundestage zur Uebergabe an den zu wählenden deutschen Kaiser zu überbringen. Man sieht hier nicht ein, warum man gerade diese Pro= fessoren und nicht lieber alle Deputationen vereint mit die= sem Auftrage beehrte. Auch der Erzherzog Johann geht nach Frankfurt. Es mag einen sonderbaren Eindruck auf diesen Prinzen machen, wenn er hinter den Reichsinsignien (Krone, Reichsapfel, Seepter u. dgl.) nach Frankfurt rei= end, sich seines seligen Bruders des Kaisers Franz erinnert, der diese Kleinode mit ganz andern Absichten an sich nahm als sie je wieder auszuliefern. Diese Erlebnisse dürften den alternden Prinzen tief erschüttern, der doch dem Ver= trauen und den Absichten des höchstseligen Kaisers so nahe stand Aus Wien. (Schluß.) Wir brachten ihn in ein Haus, und ich selbst halb ohn= mächtig, mußte in einem Hause Hülfe suchen. Man machte mir Wasserumschläge und bat mich mit Thränen zu bleiben, aber eine neue Gewehrsalve weckte mich in einer halben Stunde auf, während welcher eine fürchterliche Metzelei am Hofe statt fand. Erzherzog Albrecht ließ dort die Kürrassire einhauen. Ich lief in die Tuchlauben wo ein
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