Zwanglose Blätter, Nr. 4, vom 30. März 1848

gewährt, die uns seit wenigen Tagen beglücken oder dem Grundsatze nach verheißen sind. Er trat mit einem weißen Tuche wehend auf den Balkon seines Schlosses, der harrenden Menge seinen er= freulichen Entschluß zu verkünden. In diesem Augenblicke scheint sich ein zusammengerotteter Pö= bel Unordnungen gegenüber der aufgestellten be= waffneten Macht erlaubt zu haben. Die Solda= ten schossen, verwundeten und tödteten einige und ohne daß die Fernstehenden die Ursache dieser mörderischen Salve ahnen konnten, zerstob die ganze Menge, Verrath befürchtend und Rache schnaubend. Alles eilte in seine Quartiere, der Waffen hatte bewaffnete sich, die Strassen wur= den verschanzt — man befürchtete das Aeußerste. Jetzt wäre es für der König Zeit gewesen, falls dem Schießen unter seinen Fenstern wirklich ein Mißverständniß zu Grunde lag, durch Proklama= tionen das Volk seiner aufrichtigen Gesinnungen ver= sichern zu lassen, damals hätte er, Vertrauen be= zeigend und Vertrauen erweckend, sich selbst in die Strassen hinabbegeben sollen und der Sturm wäre beschwichtiget worden. Statt dessen entwi= ckelte er eine Heeresmacht von 20000 Mann, Infanterie und Kavallerie mit den erforderli= chen Geschützen, und ließ sie in drei Treffen getheilt gegen die drei Hauptstadttheile Berlin operiren. Die Folge davon war eine 10stün= dige Schlacht, Kanonenkugeln durchfegten die brei= ten schnurgraden Strassen Berlins, mit wechseln dem Glück wurden die Barrikaden der Bürger bald genommen, bald behauptet, grausam mordeten die Soldaten Kinder, Weiber und wehrlose Kranke in erstürmten Häusern, zuspät wurde auf der Schloß= (Cavalier=) Brücke eine weiße Fahne mit der Inschrift: „Mißverständnisse!“ aufgepflanzt. Diese königliche Bitte verwehte der Wind, verhüllt der Pulverdampf der erbitterten Streiter; nach 16stündigem Kampfe deckten die Leichen von 500 Bürger, von 800 Soldaten den Wahlplatz, das Militär war geschlagen und zog sich erschöpft und überwunden in die Kasernen zurück. Da erschien plötzlich der König mit seinem Gefolge zu Pferde in den dampfenden Strassen und ließ vor sich her die schwarzroth=goldene Fahne das uralt=herrliche Banner des deutschen Reiches tragen. Er war so sanft und niedergebeugt, so aller Vermittlung zugänglich, als je ein Ueber= wundener, er sprach besänftigend und vielverspre= chend zum Volke, nur trotzige Blicke antworteten ihm anfangs, vorwurfsvolle Mienen, Kälte und Schwei= gen. Er bat um Vergebung des Geschehenen, sei= ner leidenden Königin willen, die schweres Siech= thum auf dem Krankenlager darniederhalte. So folgte der blutdürstigsten Wuth die wortreichste Selbst= anklage und Verzagtheit und in diesem Zustande sittlichen Verfalles ergriff er plötzlich wie ein Trun= kener die deutsche Reichsfahne, pflanzte sie mit blutgetränkter Hand auf die Zinne seiner Burg, rief sich selbst zum Oberhaupte Deutsch= ands aus und versicherte uns allen, er wol= le und werde unser Führer sein! Friedrich Wilhelm von Zollern — das preußi= sche Volk wird dich richten, niemand kann und darf ihm darin vorgreifen. Du hast nicht gehandelt wie ein Mann und nur aus den deutschen Männern wäh= len wir den deutschen Kaiser. Laß ab deine blutbefleckte Hand nach einer neuen Krone auszustrecken, nimm vielmehr deine alte Krone vom Haupte, deren heilige Gewalt du mißbrauchtest und lege sie, ein reuiger Sünder, als Sühnopfer auf das Grab der Treuen die du geopfert hast. Es ziemt uns nach diesen Worten der tief= sten Entrüstung den Blick auf unser wieder ver= jüngtes Vaterland zurückzulenken und zu betrach= ten, welche Wirkung diese Ereignisse auf dasselbe haben können. Preußen wird sich seinem Könige gegenüber Recht und Ruhe verschaffen, dafür ist der Cha=

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2