Zwanglose Blätter, Nr. 2, vom 21. März 1848

schriften. Am Entsprechensten für das allgemeine Wohl erscheint aber die Wahl nach Gemeinden, d. h. daß jede Gemeinde, und wenn Einzelne zu schwach sind, mehrere zusammen ihre Repräsentan= ten wählen. Es handelt sich hiemit nicht nur um Vertretung nach der numerischen Zahl der Ein= wohner des Staates, sondern nach der Anzahl der Gemeinden oder Gemeindeverbanden. Jeder Staatsbürger ohne Rücksicht des Besitzes, des Gewerbes u. s. w., der die gesetzliche Großjährigkeit erlangt hat, und Rechts=Fähigkeit besitzt, und in der Gemeinde oder dem Gemeinbe= verbande ansäßig ist, hat das Recht zu wählen und ist wählbar, ohne daß den Gemeinden das Recht benommen wird, auch Ansäßige aus andern Gemeinden zu wählen. S. R. (Fortsetzung folgt.) Eingesendetes. Aus Wien wurden uns nachstehendes Gedicht und das angefügte Flugblatt eingesendet, und wir erlauben uns ersteres wegen seines volksthümlichen Tones und letzteres seines poetischen Werthes wegen, mitzutheilen. Was ist denn jetzt g’schehn in Wien? Eine Mittheilung für meine lieben österreichischen Landsleute außer Wien. Von J. F. Castelli. Ihr werdet hören von einem ungeheuren Aufruhr in Wien, man wird Euch erzählen von fürchterlichen Sachen, von Mord, Brand und Plünderung, und ihr werdet euch anfangen zu fürchten, (versteht sich die Bravern) und die Schlech= teren werden sich vielleicht denken, plündern wir auch! Das soll'n sie sich aber vergeh'n lassen, denn das ist leider nur die schlechte Zuthat, die sich oft bei der besten Sache in der Welt befindet, und gegen welche jetzt schon von allen Gut= denkenden die besten Gegenmittel ergriffen worden sind. Ich will ench also erklären, meine lieben guten Land= und Landsleute, was geschehen ist, wie's geschehen ist und warum's geschehen ist, damit auch ihr die Sache genau wißt und nicht eine falsche Meinung von einer Begebenheit bekommt, die für unser Land, für unser Volk und daher auch für Euch die erfreulichste ist, die, seit Oesterreich steht, geschehen ist. Wir haben uns befreit indem wir unsern guten Kaiser von allen denen befreyt haben, die ihm schlecht gerathen haben, die um ihm eine Mauer herum gezogen haben, damit er nicht hören könne, um was sein Volk gebeten hat. So was hat freilich nicht so manierlich geschehen können, daß wir dabei uns're schön'n Röcke und gelbe Handschuh hätten anziehen können, sondern es hat sein müssen mit Ernst, mit scharfen Ernst geschehen, sonst hätten die, die um den Kaiser waren, ihm wieder ein X für ein U vormachen können. Man hat trachten müssen, daß sie's endlich verstehen, was der Wunsch des Volkes ist, und daß diese Wünsche auch zu den Ohren des Kaisers kommen. Das wäre nun nicht gegangen, wenn man still und in der G’ham geredt hatt' und ganz pomali aufgetreten wäre, nein, man hat schreien müssen, laut schreien. Da hat nun ein gescheidter Mann alle die Wünsche des Volks, das heißt, die gerechten, aufgeschrieben, viele Tausend haben die Schrift unterschrieben, und sie ist den österreichischen Landständen übergeben worden, weil man gewußt hat, daß diese am 13. in ihrem Landhaus zusammen kommen. Man hat sich ganz an die rechten gewen= det, denn die Landstände sollen eigentlich die ersten Rathe des Kaisers sein, sie sollen diejenigen sein, welche, weil sie am besten wissen sollen, was ihrem Lande nützt, auch die Wünsche des Volks dem Kaiser vortragen sollen. Sie haben das freilich lange nicht thun können, weil diejenigen, die um den Kaiser waren, die Landstände nichts mehr haben gelten lassen, aber in der letzten Zeit haben sie sich schon ein wenig zusammen genommen, und deßwegen hat man ein Vertrauen zu ihnen gefaßt Diese Schrift also, von der ich geredet habe, ist den Landständen übergeben worden, und die Studenten unsere braven muthigen Studenten, Vivat hoch! haben auch eine solche Schrift übergeben, sind aber auch gleich selbst am 13. in's Landhaus gegangen, um zu sehen, was damit geschehen wird. Da ist es nun freilich fürchterlich zugegangen, geschrien ist worden, daß man geglaubt hat, das Landhaus fallt von selber ein. Die Landstände haben sich in ihrem Saal berathen wollen, aber dazu hat man ihnen keine Zeit mehr gelassen, und die Tausend und Tausend Menschen haben nicht früher eine Ruhe geben, bis die Landstände gesagt haben: Wir wollen auf der Stell Alle zum Kaiser gehn, und wollen ihm Eure Bitten vortragen. Da war ein Jubelgeschrei, wie ich noch keines gehört habe, und die Landstände sind wirklich auf der Stell in die Burg zum Kaiser gegangen. Bei dieser ganzen Geschichte sind nun freilich ein Paar Sachen geschehen, wo es besser gewesen wäre, sie wären nicht geschehen. Das Volk hat freilich im Landhaus die Fenster eingeschlagen und in einem Saal alles zertrüm= mert, weil es geglaubt hat, die Landstände wollten nichts thun, und die Soldaten haben einige erschoßen. Die Sol= daten können nichts dafür, aber der, der es ihnen g'schafft hat, der möcht ich nicht sein. Auf unbewaffnete Leute, die etwas Billiges begehren, soll man nicht schießen lassen.

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