Zwanglose Blätter, Nr. 1, vom 18. März 1848
Zwanglose Blätter für Oberösterreich. 1. Steyr am 18. März 1848. Nro. So wie der Mensch nur sagen kann, hier bin ich, Daß Andre schonend seiner sich erfreu'n, So kann auch ich nur sagen: Nimm es hin. Chamisso. Einst und Jetzt. Man bringt nur längst erkannte und ausgesprochene Wahrheiten zu Markte, wenn man behaup= tet: nur ein Staat in welchem Volk und Regent durch zeitgemässe Institutionen, durch wechselseitige Achtung, durch innige Anhänglichkeit aneinander geknüpft und alle Leistungen nicht blos einseitige Opfer sind; wo das Volk gerne gibt, weil es das Bedürfniß erkennt und weiß wozu das Geld ver= wendet wird; wo der Staatsbedarf mit den materiellen Kräften des Landes und des Menschen in solche Uebereinstimmung gestellt ist, daß er ohne Erschöpfung erzeugt und dabei noch für die Zukunft gesorgt wird; wo den Nachkommen vorgearbeitet werden kann, nicht aber diese durch Generationen im Voraus mit Schulden belastet werden; wo Handel, Ackerbau, Gewerbe, Kunst und Wissenschaft in freier Entwickelung das allgemeine Wohl fördern; wo der Minister gleich sehr dem Herrscher wie dem Lande, das ihm am Ende doch bezahlt, angehört, und kein fremdartiges Interesse sich zwischen beide stellt; wo die Stände Stellvertreter des Volkes im Ganzen, nicht „einzelner Klassen und ein= zelner Vortheile desselben sind; wo die Armee blos für die erste Abwehr eines ungelegenen Gastes berechnet und auf solange hinlänglich ist, bis das Volk selbst in frommer Begeisterung für Fürst und Vaterland zu den nicht ungewohnten Waffen eilt; nur ein solcher Staat kann einen festen, glück= lichen Bestand im Innern, eine Ehrfurcht gebiethende Stellung gegen Außen gewinnen und wird einem Feinde, woher er komme, um soweniger erliegen, als ihm neben der Achtung der Welt noch die allgemeine Meinung (eine Macht die nicht ungestraft verachtet wird!) zur Seite steht. Wer, dem die Ehre und das Glück seines Vaterlandes am Herzen liegt, wird in seinen Tagen nicht versucht haben, den Zustand desselben mit dem zuvor gezeichneten Bilde zu vergleichen? Wer wird nicht aus jeder entdeckten Aehnlichkeit zwischen beiden Beruhigung und Hoffnung geschöpft, im Gegentheile hingegen tiefe Unruhe und Besorgniß empfunden haben, die ihn endlich zu entscheidender Thätigkeit trieben, wenn seine Vaterlandsliebe und seine Kräfte überhaupt dafür zureichten. Auch der Osterreicher, der nur zulange in dem Irrthume dahinlebte: des Staatsbürgers größtes Glück bestehe in einer vollen Schüssel, und dessen größte Tugend im Gehorsam unter allen Verhält= nissen, hat in den jüngsten Tagen jene Vergleichung angestellt — sie ist höchst ungünstig für sein ge=
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