Steyrer Wochenblatt Seite 5 Ein Geständnis des ehemaligen Kreisarztes Dr. Peßl. Die „unschuldigen“ Nazis! Nachstehend bringen wir Berichte über das KZ.=Lager Mauthausen, das eindeutig das ver¬ brecherische Treiben der Nazi=Banditen beleuchtet. Was es bedeutet, an solch einer Stätte des Grauens, jahrelang der Willkür der SS=Henkerknechte ausge¬ liefert zu sein, mag nur der beurteilen, der diese Schandtaten „Deutscher Kultur“ miterlebt hat. Wohl alle kennen den allseits gefürchteten und berüchtigten Kreis=Arzt und Vertrauensarzt des Ar¬ beitsamtes, Dr. Peßl. Zur Zeit des rücksichtslosesten Arbeitseinsatzes, hatte dieser „Vertrauensarzt" für alle Frauen die keine Pg. waren und die selbst an den schwersten Erkrankungen litten, nur ein kurzes und bündiges Wort „arbeitsfähig“. Dies bedeutete für viele Frauen schwerste Qualen, denn sie mußten trotz ihres Krankheitszustandes, neun und mehr Stunden an den Maschinen schuften. Dieser Peßl wurde nach Mauthausen geschickt, um dort die Opfer der Nazi=Bestien einzugraben. Uns erreichte eine Abschrift des „Tatsachenberichtes“ des ehemaligen Pg. Dr. Peßl über den Mauthausen¬ Einsatz und zwar: Über die Beobachtungen, die ich während des achttägigen Arbeitseinsatzes im Konzentrationslager Mauthausen gemacht habe: Wir wurden 50 Mann aus Steyr auf zwei Kraftwagen nach Mauthausen gebracht und zur Arbeit auf dem ehemaligen Sport¬ platz vor dem Lager eingesetzt. Quartier wurde uns durch den Bürgermeister in einem ehemaligen Gasthaus in Mauthausen zugewiesen. Die Bevölkerung erzählte uns wiederholt voll Wut und Abscheu über die Zustände, wie sie im Lager und auf den Transporten zum Lager, geherrscht haben und wie unmenschlich und brutal sich die SS=Führung, besonders die oberen Dienstgrade den Häftlingen gegenüber benahmen. Auf den Trans¬ porten vom Bahnhof zum Lager durch Mauthausen wurden Kranke oder an Erschöpfung marschunfähige Häftlinge einfach erschossen oder niedergeschlagen. Niemand von der Bevölkerung wagte es aber, darüber Klage zu führen oder eine Anzeige zu machen, aus Furcht, dann selbst ins Konzentrationslager zu kommen. Einstimmig gab die Bevölkerung dem Lager¬ führer Ziereis die Hauptschuld, der sich wie ein Henkersknecht benommen haben muß, dabei mit seinem Stabe in besten Verhältnissen und häufigen schweren Alkoholexzessen gelebt haben soll. Wir 50 Mann bekamen den Befehl, zwei ca. 50 m lange und über 2 m tiefe Schächte zur Leichen bestattung auszuheben. Unter amerikanischerBe¬ wachung hatten wir diese sehr schwere Arbeit, acht Stunden pro Tag, zu verrichten. Der Boden ist fast reiner Granit und mußte nach Abräumen der dünnen oberen Schicht der Felsboden mit Spitzhacken, Boh¬ rern und täglichen Sprengungen zum Abhub erst vorbereitet werden. Die kleineren Blöcke Erde und Sand, wurden von uns, die großen Blöcke durch die Amerikaner mit einem Kran aus dem Schachtge¬ hoben. Zehn Mann von uns wurden täglich zum Transport der Leichen und zur Bestattung in den fertiggestellten Schachtteilen eingesetzt. Die zehn Mann hatten mit einem Kraftwagen aus dem Lagerlazarett das in großen Zelten untergebracht war, die Leichen Die abzuholen und zur Bestattung zu bringen Kranken dieses Lazaretts werden derzeit von ameri kanischem Sanitätspersonal betreut. Der tägliche An¬ fall an Toten betrug ungefähr 25. An Einzelnen war eine regelrechte Leicheneröffnung vorgenommen worden. Wir hatten im Laufe der Woche 181 Tote zu bestatten. Die Leichen waren zum Großteil zum Skelett abgemagert und anscheinend an Krankheit, Schwäche und Unterernährung gestorben. Viele zeig¬ ten noch Spuren von schweren Durchfällen, wahr¬ cheinlich schwere Darmkranke, auch viele Lungenkranke darunter. Unter den Leichen waren auch einige von Frauen und Jugendlichen Nachdem wir erst drei Wochen nach der Ka¬ pitulation in Mauthausen eingesetzt waren, sahen wir keine Toten mehr, die durch Gewaltanwendung ge¬ storben waren. Die Toten wurden täglich in den fertigen Schachtteilen von uns beerdigt, einmal in Anwesenheitt eines amerikanischen Militärpfarrers Wir hatten auch Gelegenheit, mit ehemaligen Kon¬ zentrationslagerinsassen zu sprechen, die jahrelang in dieser Hölle leben mußten. Einstimmig sagten sie uns, daß die Behandlung unmenschlich und brutal war und das Leben des Einzelnen nichts galt. Das kleinste Vergehen wurde schwerstens bestraft. Einzelne Lagerführer benahmen sich, häufig betrunken wie die Bestien. Auffallend war mir, daß viele Unterschen¬ kel=Amputierte unter den ehemaligen Häftlingen waren, anscheinend infolge schwerer Erfrierungen der Beine durch mangelhafte Bekleidung. Es sollen sick derzeit noch 4000 Häftlinge im Lager befinden, die nur täglich in Gruppen in ihre Heimat zurückgebracht werden. Wir wurden die ganze Zeit anständig be¬ handelt und es hat keiner, trotz der schweren körper¬ lichen Arbeit, einen Schaden oder Verletzung erlitten. Nach einer Woche wurden wir durch 41 Mann aus Steyr abgelöst und wieder nach Steyr zurückgebracht. Ich darf noch bemerken, daß ich von Arbeitern der Ausweich=Betriebe der Steyr=Werke „Quarz“ in Loosdorf bei Melk vor ca. zwei Monaten erfuhr, daß der dortige SS=Stab schwere Alkoholexzesse mache und die Häftlinge unmenschlich behandelte gez. Rudolf Peßl. Wenn heute die Nazis und sonstige Anbeter dieses, auf roher Gewalt ruhende System, behaupten wollen von der Behandlung dieser unschuldigen Opfer nichts gewußt zu haben, so ist dies eine freche Lüge Jeder Werktätige in den Steyr=Werken hatte täglich mehr als einmal Gelegenheit, sich von den grausamen Methoden dieser Verbrecher zu überzeugen. Stock¬ schläge, Fußtritte, waren an der Tagesordnung Dabei wurden den Opfern ein Tagespensum an Ar¬ beit übertragen, daß man sich oft wundern mußte, wo diese ausgemerkelten, krastlosen Menschen noch den Glauben an den Sieg der antifaschistischen Be¬ wegung hernahmen. Leset und verbreitet unsere Zeitung!
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