Steyrer Wochenblatt, Juli 1945, Blatt 4

Steyrer Wochenblatt Seite 3 mußten, naturgemäß vor riesenhaften Aufgaben, aben es sind doch überall hervorragende Köpfe am Werk. Die schwerst zu lösende Wiener Frage ist die Ernährungsfrage. Die Zuteilungen sind knapp, was mnan ja bei den noch bestehenden Transportschwierig keiten wohl verstehen kann. Für eine solche Großstadt müssen schließlich täglich hunderte von Waggons mit Lebensmittel ankommen. Da dies heute doch nicht nöglich ist, hat die russische Armee eine Sonder¬ hilfsaktion in die Wege geleitet. Die Landwirtschaft um Wien herum ist auch rüstig am Werk und wenn wir die nächste Ernte gut hereinbringen, dann wer¬ den wohl auch diese Klippen endgültig überwunden sein. Bei Rückkehr nach Steyr konnte ich auch hier mit Genugtuung feststellen, daß es auch bei uns vor Aus der Ingendbewegung. Kommt mit! Zu einer gemeinsamen Wanderung der Grupper Ennsleite und Münichholz über den Damberg trafen ich am Sonntag, den 24. Juni, 85 junge Menschen Unter dem Jugendleiter der Freien Jugend Oester¬ reichs des Bezirkes Steyr, Edi Hanischläger, und dem bewährten und bekannten Freund der Jugend, Radmoser, wurde diese Sonntagswanderung für alle Teilnehmer ein frohes Erlebnis Wer die singenden und plaudernden Scharen mit den rot=weiß=roten Wanderungswimpeln gesehen hat, der grüßte sie mit frohem, freudigem Lächeln. — Sind sie doch, wie die ersten Boten des Friedens das harte und grausige Erlebnis des entsetzlicher Krieges zurücklassend — hinausgezogen zur Mutter Natur, zu den lichten Höhen, den sonnigen Wieser und träumenden Wäldern. Es wurde gesungen, ge¬ spielt und gelacht, ein Tag des Frohsinns schenkte ich den jungen Menschen. Beim Heimweg flatterten Kultur und Kunst. Das „Neue Theater“ in Steyr. Ein Bekenntnis zur Kunst. Es war für uns Steyrer ein Ereignis, als sich am Freitag, den 22. Juni, der Vorhang lüftete und dem gespannt erwartendem Publikum das Ensemble des Neuen Theaters seine Schauspielkunst darbot Seit Wochen munkelte man schon: „Ja, jetzt werden wir ein Theater bekommen, wie?“ Meinte Frau Huber: Ein Theater? Das wird fein. „Woas braucht's ihr a Theater, wo mir jetzt el nix zum Fressen ham", brummte der verschnupfte Ehegatie dazwischen. „Aber denken S'“ erwidert Frau Mayer und wird dabei um einen Ton leidenschaftlicher: „Gerade weil wir jetzt soviel Sorgen haben, die uns die Nazi=Bagage hinterlassen hat und weil wir si chwer ringen müssen, bis wir mit der ganzen Wirt¬ chaft und allem wieder hochkommen, gerade des¬ wegen brauchen wir was fürs Herz, das uns den Kampf leichter macht.“ Dann erzählt sie weiter, wis sie den Treuberg gesehen hat, wie er einmal mit Pappkartons unter dem Arm ankam, das ander Mal ein paar ausgehungerte Kramp'n vor sein Wägelchen spannte, um notwendige Utensilier heranzuholen, wie er diese Pferdchen streichelte und zum Laufen ermunterte. Denn diese Pferdeköpfe wärts geht. Die neue Molkerei ist eröffnet und das Schönste: Das neue Theater hat mit großem Erfolg die Premiere gestartet. Auch die Steyr=Werke haben wie ich hörte, inzwischen eine festere Basis bezogen es sind ja auch da unermüdlich tüchtige Köpfe am Werk, die uns die Überwindung aller Schwierigkeiten schon gewährleister Unsere Ernährungslage sieht, wenn auch sehr schlecht, so doch viel besser aus, als die der Wiener. Wir wollen den Wienern nicht nachstehen, wenn es auch einmal ungrad kommt. Für Mutlosigkeit und Verzagtheit ist heute kein Platz. Wir wollen alle unter vollstem Einsatz trotz mancher Unbill mittun, ganz gleich wo wir stehen, gilt es doch, aus dem Chaos ein freies lebendiges Oesterreich zu schaffen die Wanderwimpeln und mancher Junge und manches Mädel haben sie gesehen und haben den Ruf der Wimpel vernommen: „Kommt mit, kommt mit!“ Kommt mit, ihr jungen Menschen alle, kommt mit, lacht und singt und spielt mit uns. Den schweren Frieden wollen wir erringen mit freier Seele und roher Kraft. Ist es auch noch dunkel um uns, wir wollen dem Lichte entgegenziehen Mütter, Väter, schickt Eure Kinder. Ihr tragt o schwer an der Vergangenheit und es fällt jedem chwer, an Besseres zu glauben. Daß wir doch noc röhlich sein und von Herzen auch recht lacher können, um mit hellen Augen heimzuziehen, das hat uns dieser Wandertag gezeigt. Wir wollen nich trauern und stille stehn, wir wollen mit unserer rot=weiß=roten Fahnen durch die Heimat wandern „Kommt mit, kommt mit!“ — Montag, 2. Juli findet eine zweitägige Wanderung zum Sauzahn statt wollten absolut nicht begreifen, daß die Steyrer ein Theater brauchten und sich für den Nonsens ein¬ pannen lassen sollten. Und nun erzählt uns Herr Treuberg über das Werden dieses Neuen Theaters „Ja, es ist schwer für einen Menschen, der an einem Berufe hängt, in ihm lebt und aufgeht, wenn man diesem Menschen plötzlich brüsk erklärt, diesen Beruf sei nun nicht mehr zeitgemäß, man brauche jetz nur gute Soldaten. Die Künstler und Kulturschaffen¬ den sollten nun ausziehen, um Kulturwerte zu zer¬ stören. Es kam Gott sei Dank nicht dazu. Nach dem Zusammenbruch ging es mir wie so Vielen. Von Stadttheater Steyr her bin ich meinem lieben Steyrer Publikum kein Unbekannter; seine Pforten konntees jedoch nicht öffnen. Aber die leidenschaftliche Liebe zu meinen Beruf und der Wille, mitzuhelfen am Wiederaufbau einer österreichischen Kultur, ließen mich nicht zur Ruhe kommen. Ich faßte eine Idee und suchte nun Menschen, um diese zur Ausführung zu bringen Bei den Agit.=Prop.=Männern der Komm. Partei und dem liebenswürdigen Herrn Bürgermeister fand ich die Hilfe und Unterstützung, die zum Gelingen dieses Werkes notwendig waren. Wir gingen gleich ans Werk. Die Turnhalle in der Jägergasse diente noch als Lagerraum für abgerüstete Militär=Klamotten und bot ein unbeschreibliches Bild der Unordnung Die Wände verschmiert und verstaubt, so sahen wir die wichtigste Voraussetzung, den Saal. Aber frisch Und nach drei Wochen gewagt ist halb gewonnen mühevoller Arbeit und viel Aerger schälte sich das

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