Stephan Willner - Annalen der Stadt Steyr 1839-1882

67 1859 Die Physiognomie des Jahres ist am Beginne so ziemlich beruhigend. Die Teuerung hat wieder nachgelassen, das Geldwesen nach der neuen Währung konsolidiert sich umso leichter, nachdem auch endlich die priv. österr. Natio- nalbank nach bereits zehnjähriger Insolvenz am 3. Jänner ihre Barzahlungen wieder beginnt, und endlich auch unserer, am Rande der Verkümmerung ste- henden Stadt durch die Errichtung einer Telegraphenstation und die Hoff- nung auch auf eine baldige Eisenbahnverbindung von Bruck heraus nach Wels oder Linz wieder neues Leben eingehaucht werden kann. Nur in politischer Hinsicht ist die Aussicht nicht ganz hell, indem es in Ita- lien wieder stark gärt und Sardinien, wahrscheinlich von Frankreich unter- stützt, uns mit einem Krieg droht; jedoch glaubt man nicht, dass es dazu kom- men werde. Der französische Kaiser hat sich bei der Neujahrsaufwartung des österr. Gesandten drohend gegen Österreich ausgesprochen, und da in Frankreich und Sardinien stark gerüstet wird, so wurde auch bei uns am 7. Jänner das 2. Armeekorps mit 30.000 Mann aus Wien schnell, und zwar binnen drei Tagen, in die Lombardei befördert, wo eben auch die revolutionären Emissäre sehr tätig sind, um irgend einen Vorwand zum Krieg zu Stande zu bringen. Im Februar wuchs die Wahrscheinlichkeit eines allgemeinen europäischen Krieges leider fast zur Gewissheit heran und obwohl Frankreich und Sardinien vorderhand nur gegen Österreich auftreten, so täuscht sich doch auch das deut- sche Volk nicht über die eigene Gefahr und gewitzigt durch die traurigen Erfah- rungen aus den Napoleonischen Kriegen ist jetzt die Entrüstung, Begeisterung und Aufforderung an die deutschen Regierungen zu kräftigen Rüstungen und zur Unterstützung Österreichs laut und allgemein in ganz Deutschland. Am 15. Februar kam endlich, nachdem die Telegraphenstangen schon im Oktober vorigen Jahres aufgestellt und die Drähte im Jänner aufgezogen wor- den waren, der für die hiesige Station bestimmte Telegraphist Gumplmayr hier an, und am 17. Februar wurde das Telegraphenbureau für den Privatver- kehr im städt. Er-Zölestinergebäude Nr. 134 in der Berggasse, aber nicht wie beantragt war, im ebenerdigen, sondern im 2. Stocke eröffnet, während im ersteren der Beamte seine Wohnung erhielt. Die erste Privatdepesche war der Dank der Stadtgemeinde für die Errichtung der hies. Station, worauf die- selbe auch sogleich von hies. Handelsleuten benützt wurde. Die Drahtleitung

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