Stephan Willner - Annalen der Stadt Steyr 1839-1882
65 Wiedererscheinen der, seit 1848 überall ängstlich vergraben gewesenen und zum großen Teile im Ausland herumvagierten Silbermünzen. Ganze Säcke voll Zwanziger, wovon seit 10 Jahren kein Stück im Umlauf zu sehen war und höchstens als Rarität um 22 bis 26 kr. K.-M. verkauft werden konnte, werden von ihren bisherigen Hütern ganz verzagt herumgetragen und überall, sogar um 14—18 kr. K.-M. vergeblich zur Verwechslung gegen die bisher so verach- tet gewesenen Banknoten angeboten. — O Volk! Wie unmündig bist du! Nachdem die Verwirrung im Geldwesen schon in den letzten Oktoberta- gen einen hohen Grad erreicht hatte, stieg selbe am 1. November, wo alle Rechnungen sowie alle Zahlungen und Käufe in Verkaufsgewölben, Wirtshäu- sern und auf dem Markte nach der neuen österreichischen Währung ge- schlossen werden sollten, aber keine solche vorhanden war, auf den höchs- ten Grad. Wenn schon die Einführung des Dezimalsystems als eine großartige und allgemein wünschenswerte Maßregel alle Anerkennung verdient, so war doch die Art des Übergangs in dieselbe eine ganz unzweckmäßige und die Verfügung, dass man bei allen Zahlungen mit alten Münzen nach neuer Wäh- rung nicht unbedeutende Einbuße erleiden muss, und die alten Münzen im Rechnen und beim Zahlen verschiedene Werte haben, z. B. 6 Konventions- kreuzer im Rechnen 10 ½ Neukreuzer, beim wirklichen Auszahlen aber 1 Sil- bersechser nur 10 Neukreuzer, 6 Kupferkreuzer aber gar bloß 9 Neukreuzer galten, wurde das allgemeine Vertrauen tief erschüttert. Nachdem zu Ende November außer wenigen Neukreuzern noch gar kein Neugeld zum Vorschein kam, hörte man an vielen Orten mit der Rechnung in neuer Währung wieder ganz auf und rechnete wieder nach Konv.-Münze, ja viele Leute vom Land- volke rechnen gar noch in Wiener Währung, obwohl seit 1. November gar keine mehr existiert. Am Samstag den 27. November und am Sonntag den 28. fand in der Stadt- pfarrkirche die feierliche Aufstellung des neuen, die Gebeine der heiligen Co- lumba enthaltenden Sarkophags auf dem Altartisch des vormaligen vorderen Seitenaltars im Presbyterium statt. Der Abt Anselm von Garsten als vormali- ger hiesiger Stadtpfarrer erhielt diese Reliquie im Jahre 1688 vom Papst aus Rom, und soll diese Heilige eine Klosterfrau in Cordova in Spanien und im Jahre 853 dort enthauptet worden sein. Die Gebeine waren seither in einem Sarg unter dem Altartisch des alten Hochaltars verwahrt gewesen, wurden jetzt von den Klosterfrauen in Gleink gefasst und der Bildhauer Schönlaub in München, der Erbauer des neuen Hochaltars, verfertigte dazu den neuen
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