Stephan Willner - Annalen der Stadt Steyr 1839-1882

62 1858 Das Jahr beginnt im Allgemeinen unter ziemlich glücklichen Verhältnissen. Es herrscht in Europa überall Friede. Die durch Zehn Jahre angehaltene Teue- rung ist, wenigstens was das Getreide anbetrifft, vorüber infolge der im vori- gen Jahr in allen Ländern (mit alleiniger Ausnahme von Oberösterreich) ge- wesenen Fruchtbarkeit, und auch einige unserer alten Stahlwarenschmiede haben so ziemlich wieder Arbeit. Unsere städtischen und Gemeindeangelegenheiten gehen ihren proviso- rischen Schleppgang fort, indem eine definitive Organisierung des Gemeinde- wesens noch immer nicht erfolgt ist. Unsere imMärz 1857 errichtete Sparkassa, welche noch von unseremBür- germeister, Sekretär und Kassier verwaltet wird, nimmt einen nicht geahnten Aufschwung, indem nach neunmonatlichem Bestand zu Ende Dezember 1857 der Kapitalstand schon an 200.000 fl. betrug. Am Sonntag den 3. Jänner wurde von dem hochw. Bischof von Linz die feierliche Einweihung des neuen Hochaltars in der Stadtpfarrkirche unter zahlreicher, geistlicher Assistenz und im Beisein der Behörden und einer gro- ßen Volksmenge vorgenommen, welche Feier nebst dem bischöflichen Hoch- amt von ½ 9 Uhr früh bis ½ 2 Uhr nachmittags dauerte. Am 18. wurde ein feierliches Totenamt für den am 5. Jänner in Mailand verstorbenen berühmten Feldmarschall Grafen Radetzky, den Retter Öster- reichs, in beiden Pfarrkirchen, im Beisein aller Behörden, abgehalten. Am 1. Februar ist die Pachtung der hauptgewerkschaftlichen Hammer- werke: Reichraming, Weyer, Kleinreifling, Aschach und Hollenstein an die neu konstituierte k. k. steiermärkisch-österreichische Stahlwerksgesellschaft, an deren Spitze das Bankhaus Lindheim in Wien und einige belgische Kapitalisten stehen, mit der Staatsverwaltung abgeschlossen worden, welche sich dadurch eine bedeutende Hebung der einheimischen Stahlindustrie ver- spricht. Die Gesellschaft übernimmt gegen die Stadt Steyr die bisherigen Ver- pflichtungen der Hauptgewerkschaft. Am 19. Februar kam vom k. k. Telegraphen-Inspektorat in Innsbruck der Auftrag an, für das Telegraphenamt der von Linz über Enns nach Steyr zu er- richtenden Telegraphenlinie hier die Lokalitäten auszumitteln, und am 27. März kam ein Telegraphenbeamter, welcher ein unentgeltliches Lokal samt Wohnung im städtischen Ex-Zölestinergebäude geeignet fand.

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