Stephan Willner - Annalen der Stadt Steyr 1839-1882
50 Stadt in der sogenannten Saugasse, wo es sich an der Enns um Erbauung eines gepflasterten Kai und Niederbrechung der Stadtmauern handelt, mit welch letzterem aber die meisten betreffenden Hausbesitzer wegen der Wasserge- fahr nicht einverstanden sind. Am 22. sind der hiesige Bürgermeister u. drei Gemeinderäte nach Wien abgereist, um Allerhöchsten Orts zu erwirken, dass die von Wien über Linz nach Salzburg beantragte Staatseisenbahn in möglichster Nähe bei der hiesi- gen Fabrikstadt vorübergeführt werde. Der amtliche Wirkungskreis der städtischen Gemeindevorstehung ist jetzt (im Juni) dem k. k. Bezirksamt und der k. k. Kreisbehörde gegenüber ebenso unklar, als erniedrigend, indem die erstere, ungeachtet sie für das Bezirksamt fast alles früher leisten muss, und sogar die sämtlichen bezirksämtlichen Ar- restanten und Schube, ungeachtet die bezirksämtlichen Arreste schon im vo- rigen Sommer von den Stadt im Ex-Zölestinergebäude hergerichtet wurden, noch bis Ende April verpflegen und versorgen mutzte. Die Stadt wird jetzt wie eine andere Landgemeinde des Bezirkes behandelt und hat mit der Kreisbe- hörde gar nichts zu verkehren. Das Bezirksamt besitzt die Familienbücher und fertigt die Heimatscheine und Wanderbücher aus, allein das Gemeindeamt must hierzu Zertifikate ausstellen und über jeden Menschen alle Auskünfte erteilen, auch das Polizeiwesen im bezirksämtlichen Namen ausüben. Am 21. Juni erschien nun plötzlich wie aus den Wolken ein kreisämtliches Dekret mit einem hohen k. k. Ministerialerlasse des Inhalts: dass es unrecht war, der Stadt ihren, durch das nicht aufgehobene allerhöchste Gemeindesta- tut übertragenen amtlichen Wirkungskreis abgenommen und dem Bezirksamt übertragen zu haben, und dass die Stadt denselben alsogleich wieder überneh- men müsse, und bezüglich der politischen Geschäftsführung nicht mehr dem Bezirksamts, sondern der k. k. Kreisbehörde zu unterstehen habe. Die Konskrip- tionsakten usw. wanderten nun bereits zum dritten Mal in das Gemeindeamt zurück, ebenso die Schub- und Polizeiarrestanten in die im vorderen, ebenerdi- gen Trakt des städt. Ex-Zölestinergebäudes befindlichen und nicht abgetrete- nen Arreste, wodurch nun natürlich die von der Stadt im hinteren Trakt für das Bezirksamt erbauten Arreste wieder zum Teil überflüssig wurden. Nachdem im Monat August die asiatische Cholera in Linz und St. Florian ziemlich heftig gewütet und mehrere hundert Opfer hingerafft hatte, wurden auch hier in Steyr, im September, Vorkehrungen dagegen getroffen, nämlich im Krankenhaus Lokalitäten eingerichtet, Wärmkotzen, Tragsessel usw.
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