Stephan Willner - Annalen der Stadt Steyr 1839-1882
37 wurde bald darauf in Spital am Pyhrn aufgegriffen. Allein die bei dem hiesigen Magistrat geführte Untersuchung musste bei dem hartnäckigen Leugnen des Inquisiten im März 1850 aufgehoben werden. Mittlerweile erfuhr die Polizei, dass er die Tat seinen Mitarrestanten gestanden und sich über seinen Unter- suchungsrichter lustig gemacht habe. Er wurde deshalb im September 1850 wieder verhaftet und der k. k. Staatsanwaltschaft zur Wiederaufnahme der Untersuchung neuerdings angezeigt. Seine Verhandlung vor dem Schwurge- richt, wobei 31 Zeugen, darunter der berüchtigte Deserteur und Räuber Matth. Lehner, ein Zuchthaussträfling, ein Inquisit usw. auftraten, dauerte drei Tage. Er leugnete auf die frechste Art durchaus alles, wurde aber von den Geschworenen als des Mordes schuldig erkannt und hierauf zu zwanzigjähri- gem, schweren Kerker verurteilt. Der zweite Fall, ein Dieb, wurde zu dreijäh- rigem, der dritte, eine Brandlegerin, zu fünfjährigem, und der vierte, nämlich der vormalige Hofschreiber von Gschwendt und nachherige Steuereinnehmer von Neuhofen, Herr Grünseyß wegen Missbrauch der Amtsgewalt, Betrug und Veruntreuung zu 6-jährigem schweren Kerker verurteilt. Während der ersten Hälfte des Wonnemonates war es sehr kalt und sehr veränderlich; allein in der ganzen zweiten Hälfte vom 16. bis 31. regnete es fast ohne Unterbrechung fort bei höchstens + 8°. Die Ternberger-Berge waren fortwährend mit Schnee bedeckt und alle Wohnungen beheizt. Kein Mensch denkt einen so schlechten Mai. Die Teuerung wächst erstaunlich. Zu Ende des Monats fing erst das Korn zu blühen an. Am 31. mittags kam der neue Statthalter von Oberösterreich, Eduard Bach, zum Behufe der Beeidigung unseres, von Sr. Majestät bestätigten ers- ten konstitutionellen Bürgermeisters Herrn Anton Gaffl, wurde feierlich emp- fangen, fuhr nach der Tafel nach Garsten und brachte dort den ganzen Nach- mittag und Abend mit Besichtigung der bereits fertigen Strafanstalt zu. Um halb 9 Uhr fuhr er zurück, wo ihm dann von den Kapellen des Bürger- und Schützenkorps, dann dem Gesangvereine mit Fackeln eine hübsche Platzmu- sik gemacht wurde. Es war der erste schöne Abend. Am 1. Juni, einem Sonntag, vormittags versammelten sich der Herr Statt- halter und sämtliche hiesige Dikasterien in der Stadtpfarrkirche zum feierli- chen Gottesdienst. Nach demselben ging der ganze Zug an der auf dem Platz aufgestellten Bürgerwehr (Infanterie, Schützen, Kavallerie und Artillerie mit sechs Kanonen) vorüber auf das Rathaus, wo im Ratssaal der Herr Statthalter nach einer entsprechenden Eröffnungsrede dem Herrn Bürgermeister den im
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