Stephan Willner - Annalen der Stadt Steyr 1839-1882

32 1850 lm 1. Jänner sollten den gedruckten Kundmachungen zufolge die neuen Bezirkshauptmannschaften nicht bloß die bisherigen Kreisämter ablösen, sondern als erste politische Instanzen gänzlich in die Fußstapfen der früheren Distrikts-Kommissariate treten. Und wirklich sah man in den ersten Tagen die Herren Pfleger und Distrikts-Kommissäre von allen Seiten mit bepackten Ak- tenwagen dem ehemaligen Kreisamtsgebäude zufahren. Doch — sie täusch- ten sich, denn es konnte ihnen daselbst wegen Mangel an eingeschossenem Personale, nichts angenommen werden und sie mussten wieder heimfahren und sollten die politische Amtsverwaltung noch fortführen, welches aber die meisten, da sie sich für inkompetent halten, wohl bleiben lassen; und so herrscht jetzt in politischer Hinsicht auf dem Lande komplette Anarchie. Die Ursache ist, dass man die Gemeinden nicht zuerst organisiert und ihren Wir- kungskreis bestimmt hat. Ende Jänner sind Enns und Steyr zugefroren, soweit das Auge reicht. Am 1. Februar wurden die neuen Steuerämter eingeführt, der städt. Kas- senkontrollor Brayda wurde Steuereinnehmer. Am 6. Februar wurde ein unter dem Namen Adolf Walter seit vier Wochen hier Nr. 90 in der Stadt wohnhaft gewesener, äußerst gebildeter junger Mann von einem eben mit einem Transporte im Marsche von Vorarlberg nach Un- garn hier eingetroffenen Oberleutnant vom Linien-Inf.-Reg. Feldmarschall Schwarzenberg im Gasthause „zur goldenen Krone“, als er eben mit dem hie- sigen Stationskommandanten Artilleriemajor Okowalsky spielte, zufällig als Hochverräter, nämlich als gewesener Generalstabsmajor bei der ungarischen Insurgentenarmee unter Görgey erkannt, und entfloh hierauf schnell, wurde aber von der ihm nach allen Seiten nachgesetzten Polizei in Kremsmünster um Mitternacht eingeholt und am nächsten Tage unter grobem Volkszulauf hier eingebracht. Er war früher österreichischer Offizier und heißt: Wilhelm Magnus Albrecht. Am 12. Februar wurde er dem Militär-Kommando in Enns übergeben. Am 24. März war die pompöse Feier des Konstitutionsfestes u. am 7. wurde der hierher bestimmte Landesgerichtspräsident Doktor Weigl von dem Oberlandesgerichtspräsidenten v. Fürstenberg den Notabilitäten im hiesigen Rathaussaal vorgestellt und mit passenden Reden in sein Amt eingeführt. Er blieb auch schon hier und arbeitet zur Einleitung der Amtsübergaben

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