Stephan Willner - Annalen der Stadt Steyr 1839-1882
26 Am 20. ging der Krieg gegen Sardinien wieder los und schon am 23. war er durch die Schlacht bei Novara beendet zu Gunsten Österreichs. Im Römischen und Toskanischen Republik und Anarchie. In Ungarn geht es uns dagegen schlecht, weil sich die polnische Propa- ganda mit den Magyaren verbunden hat; daher zogen zu unserer Hilfe in Sie- benbürgen die Russen ein. Hermannstadt ist verwüstet. Im Mai sieht es in politischer Hinsicht ganz verzweifelt aus. Das Kaisertum Österreich liegt so zu sagen in furchtbarem Todeskampfe! — Die vereinten Ungarn und Polen nur noch wenige Stunden von Wien entfernt. 100.000 Rus- sen rücken auf verschiedenen Punkten zu unserem Schutz ein, und zum Über- fluss sind auch die Friedensverhandlungen mit Sardinien wieder abgebro- chen. Ungarn hat sich als selbständige Republik erklärt; Venedig wird von uns von Land und Meer förmlich belagert, Österreicher, Neapolitaner und Fran- zosen rücken ins Toskanische und Römische ein, letztere werden vor Rom mit bedeutendem Verlust zurückgeschlagen. — Und erst in Deutschland?—! Die deutsche Nationalversammlung in Frankfurt a. M. ist zu einem republikani- schen Revolutions-Konvent herabgesunken, in der bayrischen Pfalz die Re- publik proklamiert, in Leipzig und Dresden mehrtägiger blutiger Straßen- kampf, in Schleswig-Holstein Krieg gegen Dänemark. In ganz Europa steht die Sache auf der Spitze, — es ist ein großer zusam- menhängender Kampf zwischen dem kommunistisch – republikanischen — und dem monarchischen Prinzip! Unter so trüben Aussichten ging bei herrlichemStand der Feldfrüchte das Ge- treide wieder zur völligen Teuerung hinauf (Weizen am 9. Mai bei 15 fl. W.-W.) Sonst ist es bei uns dem äußeren Schein nach, etwa vermehrte Rohheit und Raufhändel des Proletariats abgerechnet, ruhig, auch die Nachstellung am 15. Mai, wo wir wieder 8 Mann aufbrachten, ging ruhig ab. Allein in der öffentlichen Verwaltung herrscht komplette Anarchie: der Magistrat besteht noch von heute auf morgen; als eigentliche Exekutivbehörde ganz ohnmächtig, darneben der Gemeinderat aus 30 Gliedern, wo alles zusammenschreit und gewöhnlich ein Drittel ganz ausbleibt, dazu an der Spitze als Bürgermeister ein ganz ratloses Kind! — Die eigentlichen öffentlichen Geschäfte: Polizei-, Konskriptions- und Marktwesen gehen heute diesen, morgen jenen Körper, in der Ausübung aber gar keinen, an; daher die widersprechendsten Anordnungen, die aber ohnehin nicht befolgt werden. — Das ist ein erquicklicher Zustand für die unteren Organe, welche diese
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