Stephan Willner - Annalen der Stadt Steyr 1839-1882
21 Verbrüderungsfest gefeiert. Am 26., 27., 28. war hier die zweite sehr starke Rekrutierung; am letzten Tag waren es die Steyrer, welche 46 Mann brauchten, aber nur 16 erhielten. Einige Garstner Rekruten fingen bei und nach dem Schwören Exzesse an und hetzten die versammelten Steyrer auf, sich nicht zu stellen, solange nicht auch die zeitlich Befreiten erschienen. Diese, welche sich schon früher verab- redet und mit demMagistratsrat Buberl heftig räsoniert hatten, liefen hierauf unter heftigem Geschrei auf den Platz herab, wo ein starker Tumult entstand. Die Kommission wollte schon auseinandergehen, als die ordentlichen und ge- mäßigten baten, assentiert zu werden. Es erschienen auch nach u. nach wirk- lich fast alle Rekruten wieder und wurden assentiert, wobei es wieder man- ches Spektakel gab. Das Getreide ist im August bereits ganz auf den Normalpreis, 5 fl. 3 kr. das Korn, 8 fl. 10 kr. der Weizen, herabgesunken. Am 6. August ist der Feldmarschall Radetzky, dem die hiesige Bürgerschaft einen sehr schönen von Josef Mitter verfertigten und vom Bezirksgerichtsbe- amten Altenbürger gravierten EhrensäbeI zugesendet, nach 14-tägigen Schar- mützeln und Schlachten wieder in Mailand mit seiner siegreiche Armee, und am 12. der Kaiser wieder in Wien eingezogen. Am 21. August kam vom Feldmarschall Radetzky ein sehr verbindliche Dankschreiben an den Magistrat für seinen Säbel. Am 20. war ein feierliches Dankamt für die in Italien errungene Siege und die Rückkehr des Kaisers und am 25. ein Requiem für die in Italien gefallenen österreichischen Krieger. Den PatrimonaI- und Kommunal-Gerichten läutet die Totenglocke; sie ha- ben auch fast keine Macht mehr, und es herrscht ein halb anarchischer Zu- stand, der von den Wühlern trefflich ausgebeutet wird, und bloß noch in dem allgemeinen gesunden Sinn des Volkes seine Grenze findet. Vom Landvolk wird kein Zehent, keine Robot mehr geleistet und alles Wild zusammenge- schossen. Hier finden bereits vom Ministerium anbefohlene, umfassende Erhebun- gen wegen Einführung der neuen kaiserlichen Gerichtsbehörden statt und die von der Regierung bereits unabhängig gewordene Stadtkommune müht sich in unzähligen Bürgerversammlungen ab und tappt im Finstern herum, um eine neue provisorische Gemeindeverwaltung aufzufinden. Alles ist proviso- risch!
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