Stephan Willner - Annalen der Stadt Steyr 1839-1882

20 Schnallentor empfangen, im Triumph in die Stadt geführt; abends wurden von den Studenten in der Bierhalle und dann im Gastgarten nächst der Prome- nade, wo die bürgerliche Musikbande spielte, feurige liberale, mitunter auch ziemlich exaltierte Reden gehalten, während der Nacht daselbst der Major des Bürgerkorps zur Ablegung des Portepees verleitet, wodurch leider die zwischen beiden Körpern der hiesigen Nationalgarde bestehende Zwietracht noch vermehrt wurde. Am andern Tage war große Partie auf den Damberg. Am 16. und 17. waren hier die Urwahlen der 44 Wahlmänner zur Wahl des Steyrer Deputierten zum Reichstage in Wien; am 21. war im Ratssaale die kri- tische Wahl, die auf den k. k. Berggerichtsassessor Emil Vacano in Klagenfurt fiel. Die radikale Partey welche den talentvollen Redner Julius Alexander Schindler haben wollte, überreichte um 11 Uhr nachts dem dirigierenden I. Kreiskommissär eine stürmische Protestaktion. Vom 13. bis 16. Juni furchtbare Revolution der Tschechen gegen das Mili- tär und die Deutschen in Prag, schreckliche Bombardierung der Stadt und endliche Besiegung der Tschechen; auch in Pest eine militärische Revolution; in Triest feindliche Blockade des Hafens; vom 22. bis 26. furchtbare Revolu- tion und Metzelei gegen die Regierung in Paris, 12.000 Tote und Verwundete. Im Juli kommt zu den bereits hier bestehenden radikalen „Zwanglosen Tagblättern“ nun auch ein konservatives „Das freie Wort“. Am 3. Juli nachts ½ 12 Uhr erlebten wir auch hier eine der, unter den Wie- ner Studenten usw. so beliebten, sogenannten Katzenmusiken, welche von etwa 50 unserer Ultraradikalen dem eben auf der Durchreise nach Wien hier angekommenen Steyrer Deputierten E. Vacano vor dem v. Koller'schen Han- delshause dargebracht wurde. Die hies. Parteienspaltung erreichte hierdurch den höchsten Grad. In der Nacht vom 23. Juli wieder ein Krawall. Es wurde nämlich in Steyrdorf ein Bauer getroffen, welcher ein geschlachtetes schon hässlich stinkendes Rind herumführte und bei den Fleischern und Würstemachern zu verkaufen suchte. Schnell sammelten sich ein paar Hundert Menschen, meist aus dem Pöbel. Der Wagen wurde umgeworfen, der Bauer geschlagen und im Trium- phe mit seinem Wagen auf das Rathaus gebracht. Am 4. Juli war die Wahl des hiesigen Nationalgarde-Oberkommandanten, welche mit ungeheurer Mehrheit auf Herrn Franz von Schönthan fiel. Abends wurde ihm von den Offizieren und Repräsentanten aller drei Nationalgarde- Körper eine Serenade mit Fackelzug gebracht, und dann ein heiteres

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