Stephan Willner - Annalen der Stadt Steyr 1839-1882

12 1845 In der ganzen Welt ist alles friedlich, alle Völker streben in industrieller Entwicklung empor; so auch in Österreich, wo nur die ungarische Oppositi- onspartei sehr unliebsame Sprünge macht; die Staatseisenbahnen von Wien nach Prag und Triest sind im Vorschreiten, und die nach Oberösterreich, wel- che der Sage nach Steyr berühren soll, in nächster Aussicht. In Steyr selbst gibt es natürlich nichts vom Belange. Vom 26. bis 28. Februar fanden große Bürgerversammlungen auf dem Rathause zur Ausschusswahl wegen Beratung des am 8. März 1841 im Kas- senamt gestohlenen Geldes per 3000 fl. K.-M. statt. Am 21., 22. und 23. April war die Rekrutierung; das Steyrer Kontingent betrug 25 Mann zur Linie und 1 Mann zur aktiven Landwehr. Am Pfingstsonntag den 10. Mai, nachmittags um 3 Uhr, war ein so heftiges und bei völliger Windstille durch eine ganze Stunde anhaltendes Gewitter, wie es hier seit vielen Jahren nicht erlebt worden ist. Die haselnussgroßen Schloßen schlugen Laub und Blüten von den Bäumen und verwandelten das herrlichste Frühlingsgrün der Bäume, Wiesen und Felder in winterliche Flur. Der Blitz schlug in die Kirche zu Christkindl trotz des Blitzableiters, beschä- digte etwas das Mauerwerk und den linken Seitenaltar, schlug weiters in noch mehreren Orten der Umgebung ein; auf besonders auffallende Art aber in das Frisch'sche Gasthaus „zur weißen Krone“ in Ennsdorf, vernichtete den großen Doppelrauchfang ganz bis in den Grund, schlug eine Dachseite ein, zersplit- terte Dachsparren und richtete in fünf Zimmern des 1. unteren Stockes, im oberen Vorhaus, der Küche und an den Hauptmauern an allen Seiten dieses großen Hauses grässliche und wahrhaft unglaubliche Verheerungen an. Zwei Töchter des Hauses wurden betäubt und das in einem Zimmer des oberen Stockes entstandene Feuer sogleich gelöscht. Am 17. Mai reiste der Erzherzog Albrecht, kommandierender General in Österreich, hier durch. Am 10. Juli wurde der Dachstuhl der neuen Kuppel des Bruderhausturmes, welcher bei dem großen Brand am 3. Mai 1842 abgebrannt war, aufgeschla- gen und am 11., um 5 Uhr sollte das kupferne, schöne vergoldete Kreuz auf- gesetzt werden; allein da man magistratlicher Seits vergessen hatte, die Geistlichkeit zur Einweihung einzuladen und dies erst unmittelbar vor der Aussetzung mündlich geschah, so gab das eine sehr komische Szene.

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