Stephan Willner - Annalen der Stadt Steyr 1839-1882

152 und Bändern geschmückt wurden, worauf dann der großartige Festzug von mehr als 800 Sängern durch die Enge, über die Steyrbrücke, dann durch die Kirchen- Sierninger- und Gleinkergasse und das obere Ort nach, der sehr schön dekorierten Ennsinsel (Rederau) stattfand, auf welchem Zuge die Sän- ger vielfältig aus den Fenstern mit Blumen überschüttet wurden. Auf der Insel war dann ein wahrhaft großartiges und gelungenes Fest mit Beleuchtung und Feuerwerk. Aber schon am nächsten Tage trat wieder Regen ein. Sehr merkwürdig ist heuer die ungeheure Menge von Zwetschken, deren Einbringung fast gar nicht bewältigt werden kann, denn es sind wirklich mehr Zwetschken als Laub auf den Bäumen. Verkauft werden größere Partien zum Brennen, 1 Metzen um 80 kr., auf dem Markt 25 um 1 kr. Auch Äpfel und Birnen gibt es viele. Bei der Waffenfabrik, wo sich nun die große Gewehrlieferung nach Preu- ßen bald ihrem Ende nähern wird, sollen im Lauf des Herbstes von der gegen- wärtigen Arbeiterzahl von 4800 nach und nach, über 1000 entlassen werden. Herr Werndl ist wegen Aufbringung neuer französischer Bestellungen nach Paris gereist, hat aber vorläufig nur unbestimmte Aussichten zurückgebracht. Am 15. September wurde mit einem schönem Fest das Schuljahr im neuen großartigen Volks- und Bürgerschulgebäude eröffnet, welches bis jetzt samt Bau- und Gartengrund bereits 243.322 fl. kostet. Es wurde nämlich aus dem Ex-Jesuitengebäude die 8-klassige Knabenschule dahin transferiert und aus den in dem ersteren noch, verbliebenen drei Knabenklassen und den zwei Klassen von der Schule in Ennsdorf eine fünf-klassige Schule errichtet und das bisherige Schulhaus in Ennsdorf zum Verkauf beistimmt. Das sehr schlechte Wetter seit 21. September verursachte sehr viele Krankheiten und Todesfälle, besonders aber trat die brandige Halsentzün- dung epidemisch, auf, unter der Benennung „Dyphteritis“ und raffte sehr viele Menschen, besonders Kinder in ein paar Tagen dahin. Es waren im Jahr 1875 677 Todesfälle zu verzeichnen. Die Gewerbetätigkeit ist bei unserem altberühmten Eisen- und Stahlkom- merz seit dem großen Börsenkrach 1873 im förmlichen Absterben und wird sich auch, wenigstens bei den bisherigen Kleingewerben, niemals wieder zu einiger Bedeutung erheben können. Bei der so blühend gewesenen Messer- erzeugung arbeiten jetzt nicht mehr so viele Gesellen als früher Meister wa- ren, ebenso bei den Feilenschmieden und die neue Messerfabrik des Herrn Ludwig Werndl und Konsorten ist erst im Entstehen. Bei der Waffenfabrik

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