Stephan Willner - Annalen der Stadt Steyr 1839-1882

148 Menschen angestopft und das Zerstörungswerk im genannten Hause begann. Alle Türen, Fensterstöcke, Balken und Gitter wurden ausgebrochen und sowie alle Möbel, selbst vom oberen Stockwerke, auf die Gasse geworfen, dort zer- trümmert und zerrissen und vieles auch gestohlen, wobei besonders auch die Weiber halfen. Nachdem alles vernichtet und die Straße wegen Trümmern, Bettstroh und Federn kaum zu passieren war, und die Polizeiwache mit Stein- würfen zurückgetrieben worden, zog der ganze Schwarm unter Geschrei und Vortragung von Fahnen aus zerrissenen Leintüchern und Frauenröcken nach Ennsdorf zu den Bräuern, um eine Ermäßigung der Bierpreise zu erzwingen, was auch von denselben zugesagt wurde. Da aber mittlerweile um 9 Uhr 60 Mann Soldaten aus Garsten eingetroffen waren und auch bekannt wurde, dass telegraphisch Militär bereits aus Linz requiriert sei, endlich auch der Waf- fenfabriksgeneraldirektor Werndl aus Stadlkirchen eingetroffen war, so wur- den dann die Exzedenten bald zerstreut, und mehrere von der Polizei verhaf- tet. Um ½ 12 Uhr nachts kamen mittelst Separatzuges 280 Pioniere aus Linz an und begannen sogleich die Patrouillen. Das Bürgerkorps war wohl auch sogleich vom Bürgermeister einberufen worden, allein es waren nur wenige Mann erschienen, und auch die Soldaten aus Garsten fühlten sich zu einem Angriff auf die große Masse zu schwach und besetzten nur die Straßen am Spitalberge und Enge. Am nächsten Morgen wurden dann von der Polizei un- ter Militärbedeckung 16 Exzedenten aus den Fabriken verhaftet und dem k. k. Kreisgericht eingeliefert. Am 9. September verließen die Soldaten wieder unsere Stadt. Anfangs August begann auch Herr Josef Werndl auf seiner Voglsanginsel den Bau einer ganzen Kolonie von ebenerdigen Wohnhäusern für Arbeiter. Herr Ludwig Werndl, welcher schon im vorigen Jahre das Müllerhaus Nr. 2 zwischen den Brücken mit seinen Wasserwerken gekauft hat, um daselbst eine Messerfabrik zu errichten, will zu diesem Zweck auch der Stadtkommune das daneben befindliche Wasserkunstgebäude mit dem hohen Wasserturm abkaufen um dafür dann die städtische Wasserleitung in anderer Weise ein- zurichten. Der Kaufpreisanbot per 11.000 fl. wurde auch von der Stadtge- meinde bereits angenommen. Ein dringendes Bedürfnis für unsere Stadt mit den so zahlreichen Klassen kleinerer Beamter und Arbeiter ist eine öffentliche Pfandleihanstalt, denn es ist haarsträubend, wie diese armen Leute von den vielen Versetzern ausge- sogen werden. Da nun aber die Stadtkommune, als ohnehin mit Schulden

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