Stephan Willner - Annalen der Stadt Steyr 1839-1882

145 Linz-Steyr, wobei der hiesige „Krebsenwirt“ Zeilberger gewählt wurde und am 20. bei der Wahl der Städte und Industrialorte wieder unser Gemeinderat Franz Wickhoff mit 700 vor 1072 Stimmen. Zu Ende Oktober bezog die Eisenbahnbetriebsdirektion bereits das von Josef Werndl erbaute große Direktionsgebäude, und da wieder ein neuer Nachschub von Baubeamten aus Wien ankam, stieg hier die Wohnungsnot aufs höchste. Im ganzen Oktober schönes Wetter, daher doch der Wein nicht gar schlecht wurde und auch nicht wenig, aber Obst gar keines. Am 17. November wurde bei dem bereits aufgebauten Haupttrakt des Bürgerschulgebäudes mit der Dachstuhlaufsetzung begonnen. Um dem heurigen sehr schlechten Jahr noch die Krone aufzusetzen, tritt auch noch in mehreren benachbarten Ortschaften Ober- und Niederöster- reichs die Rinderpest auf, weshalb der Viehtransport gehemmt wird. Am 1. und 2. Dezember wurde auch hier das 25-jährige Regierungsjubiläum unseres Kaisers gefeiert mit Fackelzug, großem Musikkonzert, Festtheater und Gottesdienst mit Bürgerkorpsparade und wurden das Konzerterträgnis per 330 fl. und sonstige Geschenke per 500 fl. und 140 fl. an die Armen verteilt. Bezüglich der Fruchtbarkeit muss dieses Jahr als das miserabelste Jahr seit Menschengedenken genannt werden, und da auch die Vorjahre 1871 und 1872 keine gesegneten waren, so herrscht eine seit 1817 nicht erlebte Teue- rung der Lebensmittel. Die allgemeine Staatslage, welche sich mit ihrem überschwänglichen Ban- ken- und Industrieschwindel auch anfänglich so rosig anließ, vernichtete fast gleichzeitig wie das Eis die Vegetation im Mai der große Börsenkrach. Hun- derte von Banken und Millionären purzelten und die ganze industrielle Tätig- keit wurde gelähmt, sodass an die Stelle des höchsten Luxus und scheinbaren Wohlstandes in wenigen Monaten der tiefste Verfall und bei der enorm ge- steigerten Teuerung das größte Elend folgte. Es konnte daher auch, die wahr- haft großartige Wiener Weltindustrieausstellung, welche vom 1. Mai bis 2. November dauerte, ihre volle Rechnung nicht finden, wozu auch das schlechte Wetter und die Cholera beitrugen. Die Kapitalschulden der Stadtkasse sind in diesem Jahre von 146.079 fl. 13 kr. auf 215.054 fl. 13 kr., aber auch die 40 % Gemeindeumlagen von den direkten Steuern auf 30.441 fl. 13 kr. gestiegen, wovon die Waffenfabrik allein für ihre 19 Gebäude und von ihrer Einkommensteuer 12.640 fl. 13 kr. bezahlt hat.

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