Stephan Willner - Annalen der Stadt Steyr 1839-1882

133 sistiert und am 22. Oktober erschienen zwei Statthaltereidekrete, welche den ganzen Gemeinderat auflösen, die neuen Wahlen anordnen und vom Bürger- meister die einstweilige Fortführung der Geschäfte im Namen des Statthal- ters anordnen, was aber der Bürgermeister, als mit dem Gemeinderat im vol- len Einverständnis und den Landesausschuss nicht anerkennend, ablehnte. Mittlerweile war der Sturz des Minist. Graf Hohenwart in Wien erfolgt und hierauf ersuchte der Statthalter und auch der zum kaiserlichen Kommissär designiert gewesene Bezirkshauptmann Obermüller persönlich den Bürger- meister um die Fortführung der Geschäfte bis zur Installierung der neuen Ge- meindevertretung, deren Wahl irrt Dezember stattfinden wird. Der Herr Bür- germeister fungiert also jetzt als Amtsleiter. Für das angestrebte Realgymnasium, dessen Errichtung von allen Stellen bevorwortet und auch vom Ministerium wiederholt mündlich zugesichert worden war, ist dessen ungeachtet keine Bewilligung eingelangt, daher am 1. Oktober die bisherige, aber neben der bereits errichteten Bürgerschule un- möglich gedeihen könnende Unterrealschule wieder fortgesetzt werden musste, welche auch wirklich in ihren 4 Klassen nur 87 Schüler erhielt. Am 1. Oktober hat unser neuer Gemeindesekretär Dr. Johann Parger aus Linz den Dienst angetreten, nachdem der frühere Sekretär Viktor Frappart entlassen worden war. Obst gibt es fast gar keines und die Teuerung der Lebensmittel steigt fort- während. Die gleichfalls beabsichtige Preissteigerung des Bieres um 2 kr. pr. Maß ordinäres veranlasste zu Ende des Monats Oktober eine Demonstration von zirka 400 Fabriksarbeitern vor dem Rathaus, welche aber ganz beschei- den eine Deputation zum Bürgermeister sendeten, welcher darauf sogleich die Bräuer holen ließ und dieselben zur Beibehaltung des alten Preises pr. Maß 14 kr. bewog. Herr Josef Werndl legte auf seinen erkauften Voglfeldern noch einen zwei- ten Fischteich und einen Tiergarten an. Am 11., 15. und 18. Dezember fanden die Gemeinderatswahlen und am 13. auch die Wahl des Steyrer Landtagsabgeordneten unter sehr zahlreicher Beteiligung der Wähler statt und wurden trotz sehr starker klerikaler Agita- tion die früheren Gemeinderäte mit dem Bürgermeister Josef Pöltl und dem Abgeordneten Franz Wickhoff mit großer Majorität wiedergewählt. Die Charakteristik des Jahres 1871 in Bezug auf die Witterung und Frucht- barkeit ist: Ziemlich strenger Winter bis 18. Februar, März normal und nicht

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2