Stephan Willner - Annalen der Stadt Steyr 1839-1882

130 Nachdem von der Stadtkommune durch die beantragte Zuschüttung des Stadtgrabens die Gewinnung eines großen öffentlichen Platzes beantragt ist, wurde nun auf den Ankauf des der Eisenbahnbauunternehmung gehörigen, beim Bahnhofbau erübrigten, in geschäftlicher Hinsicht sehr bequem gelege- nen Hallerfeldes auf der Ennsleiten leider nicht mehr reflektiert und daher nun dieser schönste Bauplatz im März von hiesigen Hausbesitzern per ▢ ° um 4 fl. zu Gärten angekauft und ging daher durch die unentschuldbare Fahrläs- sigkeit der Gemeindevorstehung für immerwährende Zeit verloren, worüber unsere künftige Generation sicher sehr ungünstig richten wird. Bei den Gemeinderatsergänzungswahlen am 22., 24. und 27. März hat wieder entschieden die liberale Partei gesiegt, und haben sogar die beiden Pfarrer nur wenige Stimmen erhalten. Am 24. März hielten die Deutschen hier im Werndl'schen Gasthaussaal in Reichenschwall (jetzt Kasino) ein Fest zu Ehren der deutschen Siege ab, wel- ches sehr zahlreich besucht und animiert war, und, obwohl die vielen hiesigen Tschechen (meist Arbeiter) Demonstrationen dagegen beabsichtigt hatten, doch ganz ruhig ablief. Zu Ende des März sind endlich zur Vermehrung des hiesigen Lehrpersona- les für die Volksschulen die neuernannten Lehrer, nämlich für die Knaben- schule im Ex-Jesuitengebäude: Direktor Franz Seidl und die zwei Lehrer Alois Simme und Johann Tippl und für die Mädchenschule im Ex-Zölestinergebäude die zwei Lehrerinnen : A. Würtenberger und Maria von PIersch eingelangt. Auch ist jetzt die hiesige Gemeindevorstehung bei dem Landesausschuss um die Befürwortung eingeschritten, dass hier anstatt der Unterrealschule ein Realgymnasium errichtet werde, jedoch will der Landesausschuss lieber die Errichtung einer Oberrealschule befürworten, daher sich nun die Ge- meinde direkt ans Ministerium wenden wird. Im Monat April sind hier zuerst Leichenkonduktwagen in Verwendung ge- kommen; es hat nämlich die hiesige Nächstenliebebruderschaft „Zum golde- nen Kreuz“ einen sehr eleganten mit Silberverzierung um 1637 fl. in Wien und auch der hiesige Leichenverein „Zum Stern“ einen solchen mit Goldverzierung hier machen lassen. Am 25. fand in der Vorstadt Voglsang der erste konfessionslose Leichen- kondukt des ungetauften Kindes eines Gewehrfabriksarbeiters statt und zwar im Innern des Friedhofes, ungeachtet auf die Weigerung des Stadtpfarrers, auf Anordnung des Bürgermeisters nach dem neuen Konfessionsgesetze.

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