Stephan Willner - Annalen der Stadt Steyr 1839-1882

120 Am 3. September kam der k. k. General-Artillerie-Direktor Erzherzog Wil- helm zur Besichtigung der Werndl'schen Gewehrfabriken und deren Leis- tungsfähigkeit zur richtigen Lieferung der übernommenen 250.000 neuen Hinterladungs-Gewehre, indem der erste Lieferungstermin wegen noch nicht vollständiger Einrichtung der großen Fabrik in Voglsang nicht eingehalten werden konnte und diesfalls Werndls Feinde in den Zeitungen ein großes Läs- tergeschrei erhoben haben. Der Erzherzog hat aber seine volle Zufriedenheit und Überraschung über die Großartigkeit der Fabrik ausgesprochen. Am 15. September wurde endlich in Wien mit der Kredit-Anstalt im Namen einer Aktien-Gesellschaft um die ärarischen Montanwerke der k. k. Hauptge- werkschaft in Ober- und Niederösterreich und Steiermark um 12 Millionen Gul- den öst. W. abgeschlossen, worunter der Erzberg und die Schmelz- werke in Eisenerz und Hieflau, sämtliche Hammerwerke, Waldungen und auch das ge- werkschaftliche Haus Nr. 101 am Stadtplatz, das Kestenhaus Nr. 230 in Schönau und die zwei großen Getreide-Magazine begriffen sind. Die hiesige Stadtge- meinde hat auf die auszugebenden Aktien 25.000 fl. subskribiert. Am 14. September (Kreuzerhöhungstag) erfolgte auch die Kreuzaufsetzung und die Weihe und Aufhängung der vom hiesigen Glockengießer J. M. Peteler gegossenen 15 Zentner schweren Glocke auf dem neuen Turm in St. Ulrich. Bei dem prächtigen Wetter machten auch die großen Eisenbahnbauten, besonders der Viadukt und Damm in der Schönau erstaunliche Fortschritte, die neue ganz aus dem Felsen gehauene Straße wurde mit riesiger Anstren- gung fast vollendet, ebenso die große Quadermauer, sodass die alte Vorstadt Schönau seit 1 ½ Monat nicht mehr zu erkennen ist. Es wird auch jetzt weit energischer und solider gebaut, als bei der ersten Strecke St. Valentin—Steyr. Am 6. Oktober besichtigte der k. k. Kriegsminister FML. Kuhn die hiesigen Werndl'schen Gewehrfabriken. In den letzten Tagen Oktobers wurde auf der neuen in dem Felsen ausge- sprengten Straße der Verkehr für Privatfuhrwerke eröffnet; und da die Ent- scheidung für eine hölzerne Gitterbrücke über die Enns erfolgt ist, auch zu deren Bau sowie zum Durchstich in Kraxental begonnen. Da wegen der Holzbezugsrechte in den fürstl. Lamberg'schen Waldungen der Herrschaft Steyr noch unzählige Prozesse schweben und deshalb die Holz- schlägerung in demselben schon seit ein paar Jahren gerichtlich eingestellt ist und deshalb bereits ein fühlbarer Holzmangel herrscht, ist die Bevölkerung zur Heizung größtenteils auf dieWolfsegger Braunkohlen angewiesen, welche

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