Stephan Willner - Annalen der Stadt Steyr 1839-1882

101 Vereinigung der einzelnen Komitees zu einem Zentralkomitee mit dem Sitz in Wien zusammengebracht mit der wichtigen Aufgabe: die Erbauung einer großartigen Bahn von der Westbahn bei Haag über Steyr und Leoben durch Kärnten bis an das Adriatische Meer bei Triest anzustreben und hierzu auch zugleich die Trassierungskommission zu erwirken, endlich zur Deckung der diesfälligen Kosten auf dieser ganzen Linie eine Subskription zu eröffnen. Es wurde weiters sogar beschlossen, auf den bereits projektierten Bau einer Lo- komotivbahn von der Westbahn bei Mauthausen nach Budweis und Prag hin- zuwirken und denselben nötigenfalls selbst in die Hand zu nehmen, sodass die kürzeste Linie zwischen Triest, Linz, Prag und Hamburg hergestellt und dadurch dann die projektierte Bahn den Charakter einer Hauptbahn erhalten würde. Es sind also in dieser nun großartig werdenden Angelegenheit die wei- teren Schritte des Generalkomitees, in dem jedenfalls auch der Bürgermeister von Steyr Sitz und Stimme haben wird, zu erwarten. Es herrscht eine bedeutende Wohlfeilheit der Lebensmittel, ein Metzen Wei- zen 3 fl. 60 kr., Korn 2 fl. 50 kr., 1 Pfund Rindfleisch 18 kr. usw.; allein bei der schon durch drei Jahre dauernden allgemeinen Geschäftsstockung leiden gleichmäßig Industrie, Ökonomie und Handel und die Geldnot ist außerordentlich. Was unsere Stadt betrifft, so hatte unsere kleine Industrie auch in diesem Jahr nur einen äußerst geringen Absatz und verkümmert bei dem Mangel ih- rer Konkurrenzfähigkeit mit dem Ausland immer mehr, was auch bei der k. k. Innerberg'schen Hauptgewerkschaft mit ihrem ausgezeichneten und uner- schöpflichen Erzlager der Fall ist, welche jetzt hier bei ihrer Verschleiß-Fakto- rei einen ungeheuren Vorrat von mehr als 50.000 Zentner Eisen, Stahl und Flossen aufgespeichert hat. Auch die Werndl'sche Waffenfabrik, welche nun durch den erfolgten Ankauf des Riß'schen Pfannenhammerwerks noch be- deutend vergrößert wird, feiert meistenteils, und beschäftigt überhaupt kaum mehr den fünften Teil ihrer früheren Arbeiter. Die Stadtkasse ist bereits an die Sparkasse 51.025 fl. an Darlehen gegen 5 % Verzinsung schuldig, und bestehen auch noch 6342 fl. Kontoschulden. Endlich ist auch von niederschlagendem Einflüsse auf die Stadt der traurige Zustand der Herrschaft Steyr, welche seit dem im Jahr 1862 erfolgten Tod des Fürsten Gustav von Lamberg ganz eine Beute der Advokatenwirtschaft ist. Das ganze Fideikommissgut wird einstweilen administriert und Gebäude und Gar- ten geraten zusehends in Verfall. Die Jagdreviere, denen der letztverstorbene Fürst fast sein ganzes Leben gewidmet hatte, sind teilweise verpachtet.

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