Die Österreichische Eisenstraße

Der erste europäische Großkonzern - die lnnerberger Hauptgewerkschaft Bis zur Gründung der lnnerberger Hauptgewerkschaft (IHG) war die Organisation des Eisenwesens in den voneinander unabhängigen Einflußbere ichen von Vordernberg und Innerberg sehr ähnlich. Erst mit der Gründung der IHG ergaben sich völlig unterschiedliche Voraussetzungen für die Entwicklung des Eisenwesens nördlich und südlich des Erzberges. Die komplizierte Organisation des lnnerberger Eisen– wesens führte immer wieder zu Problemen , verursacht von den sehr unterschiedlichen lnteressensgruppen, die daran beteiligt waren. 94 So wurde der Bergbau am Erz– berg in höchst unwirtschaftlicher Form geführt, der Berg wurde sozusagen von allen Seiten unkoordiniert durch– wühlt. Die Baue wurden nicht ausreichend versichert, sodaß es immer wieder zu Einstürzen und schweren Unfällen kam. Auch die Verhüttung war mangelhaft, es wurde eher minderwertiges Eisen produziert. Durch die schlechten Arbeitsbedingungen in Innerberg kam es zu einem Mangel an geeigneten Arbeitskräften. Trotz ent– sprechender staatlicher Vorschriften wurde die Wald– wirtschaft vor allem im Umkreis des Erzberges keines– wegs nachhaltig betrieben , die Wälder fielen einem großflächigen Raubbau zum Opfer. Radwerke wurden schlecht geführt, litten unter Schulden, von den bis zu 19 Radwerken arbeiteten im Jahr 1625 nur mehr fünf. Ähnliche Schwierigkeiten hatten die Hammerwerke. Die Provianthändler aus den Märkten Scheibbs, Purgstall und Gresten wendeten sich vom Eisenhandel ab und verstärkt dem Salzhandel zu . Auch die Steyrer Händler hatten Anteil daran, daß das komplexe System des lnnerberger Eisenwesens im 16. Jahrhundert zuneh– mend in Schwierigkeiten geriet, man warf ihnen Eigen– nutz vor. Die Bevorzugung des Außenhandels in Zeiten guter Preise auf den europäischen Märkten führte zu Rohstoffmangel bei den einheimischen Betrieben . Um die Versorgung der inländischen Hand~erker sicherzu– stellen, wurde 1564 in Steyr eine Eisenkammer einge– richtet, an die alle Eisenhändler festgelegte Mengen abliefern mußten. Staatliche Eingriffe begannen inten– siver zu werden. 1581 gründete man eine Eisen– kompanie in Steyr. 1584 wurde die Eisenobmannschaft in Steyr eingerichtet, der neben dem Eisenhandel auch die wichtigsten Schmiedebetriebe und die Schiffleute unterstanden. Sie diente als landesfürstliche Aufsichts– behörde für Ober- und Niederösterreich. Alle diese Be- 44 mühungen konnten jedoch den Niedergang des Eisen– wesens nicht aufhalten. 95 Die Schwierigkeiten führten schließlich dazu, daß Kai– ser Ferdinand II. eine Kommission einrichten ließ, die eine vollständige Neuorganisation des lnnerberger Eisenwesens herbeiführen sollte. Innerhalb weniger Monate wurden die Verhandlungen beendet und am 20 . Oktober 1625 die lnnerberger Hauptgewerkschaft als Erwerbsgesellschaft auf Gewinn und Verlust gegrün– det. Zu ihr gehörten alle Radwerke in Eisenerz, die ,,welschen" Hämmer in Großreifling, St. Gallen , Weißen– bach, Altenmarkt, Laussa, Kleinreifling, Reichraming, Weyer und Hollenstein mit den zugehörigen kleinen Hämmern, allen Gebäuden, Grundstücken und Wäldern , die Eisenhandelsgesellschaft in Steyr, der gesamte Ver– lag, nicht jedoch die Hammerwerke, die Endprodukte erzeugten . Die Betreiber der in die Gesellschaft einbe– zogenen Unternehmen erhielten je nach dem Wert ih– rer Betriebe Einlagescheine und wurden zu Gesellschaf– tern, ,,Mitgewerken", der IHG. Den Radmeistern fiel ein Fünftel, den Hammerwerken knapp ein Drittel , fast die Hälfte jedoch den Steyrer Händlern zu. Die Verantwortung für das Funktionieren der Haupt– gewerkschaft lag beim Kammergrafen, die Verwaltung wurde von eigens bestellten Beamten erledigt. Die ge– genüber dem früheren Amtmann deutlich umfangrei– cheren Kompetenzen des Kammergrafen zeigen die Steigerung des landesfürstlichen Einflusses auf das Eisenwesen . Das Kammergrafenamt erstreckte seine Aktivitäten über die Steiermark hinaus auch auf den gesamten Eisenhandel, der Ober- und Niederösterreich betraf und mußte in seinen Kompetenzen gegenüber dem in Steyr sitzenden Eisenobmann abgegrenzt wer– den. Der Eisenobmann war in seinen Zuständigkeiten nun auf die Überwachung der Weiterverarbeitung der von der Hauptgewerkschaft gelieferten Halbprodukte beschränkt, ihm unterstand das gesamte Kleineisen– gewerbe der Region, er mußte gewährleisten , daß nur lnnerberger Eisen verwendet wurde, und hatte mit dem Kammergrafen bezüglich der Verproviantierung zusam– menzuarbeiten. Die lnnerberger Hauptgewerkschaft dürfte im 17. und 18. Jahrhundert mit 2.000 bis 3.000 Beschäftigten ei– nes der größten Eisenhüttenunternehmen der Welt ge-

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