Die Österreichische Eisenstraße

Insgesamt waren - etwa um 1800 - bei einem Sensen– hammer 19 Arbeiter mit verschiedenen, genau definier– ten Tätigkeiten beschäftigt: Auswäger, Hammerschmied, Heizer, Eßmeister, Breitenheizer, Abrichter, Abrichtgehilfe, Beschneider und Gehilfe, fünf Hammerer (der Voran , Rückenhammerer, Aushammerer, ein bis zwei Hammer– richter), Schleiferer, Auswascher und Kramrichter. Dazu kamen noch Kohlbuben, Sensentrager und Lehrbuben, ein „Feuerwachter" und ein Zimmerer. 85 Die Meister und Knechte hatten aber innerhalb der Zunft neben ihrer Arbeit in der Werkstätte viele weitere Ver– pflichtungen . So mußten sie an den Festlichkeiten des Jahrtages und regelmäßig am Gottesdienst teilnehmen. Die Hauptaufgabe der Zunft war jedoch neben der Or– ganisation der Berufslaufbahn und damit des Ausbil– dungswesens und neben der auch zahlenmäßigen Ab– schließung des Handwerks nach außen vor allem die Festlegung von Handelsbedingungen - insbesondere der Preise - und die Qualitätssicherung . Eine wichtige Aufgabe bestand in der Versorgung der Alten und Kran– ken , die im Spital in Kirchdorf untergebracht waren. Für sie mußten anläßlich des Jahrtages von den Meistern Beiträge geleistet werden . Durch das starke landesfürstliche Interesse am Eisen– wesen wurde die Eigenständigkeit der Zünfte in we– sentlichen Punkten eingeschränkt. So mußte bei den Versammlungen des Handwerks die Anwesenheit ei– nes Vertreters des Eisenobmanns geduldet werden . Die Eisenobmannschaft und später die lnnerberger Haupt– gewerkschaft nahmen aber vor allem durch ihre Zustän– digkeit für die Verteilung der Rohstoffe und für den Ab– satz der Produkte wesentlichen Einfluß auf das wirt– schaftliche Geschehen in den Sensenschmieden. Eine Gefahr für die herausragende Stellung der Kirch– dorf-Micheldorfer Sensenschmiede bildete die Auswan– derung86 von Gesellen und Meistern, die für die Ver– breitung der Methoden und für die Errichtung von Be– trieben in den Bereichen der Absatzmärkte sorgten . Schon 1594 holte der Bischof von Bamberg einen Kirchdorfer Meister. 1607 wurde ein Verbot für Arbeiter erlassen , ins Ausland zu gehen. Dennoch kam es in der Folge zur Auswanderung von Sensenschmieden, die zum Teil aber bald wieder zurückkehrten. Einige Schmie– de mußten im Zuge der Gegenreformation das Land verlassen . Zu einer echten Bedrohung wurden diese Bewegungen jedoch nicht. In anderen Orten jedoch wirkten sich die Abwanderungen z.T. katastrophal aus, etwa in der Stadt Waidhofen/Ybbs. Während der Rekatholisierung wanderten zahlreiche Waidhofner Bürger in die oberdeutschen Städte aus, fanden aber MENSCHEN AN DER EISENSTRASSE z.T. auch im benachbarten Markt Zell und in Purgstall bei protestantischen Grundherrn Zuflucht. Im ersten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts standen in Waidhofen über 200 Häuser leer. Trotz einer Verbesserung der Lage in der nächsten Zeit konnte Waidhofen nie mehr die Bedeutung erlangen, die es im 16. Jahrhundert hatte. 87 Auch für Steyr wirkte sich die in der Gegenreformation erzwungene Emigration von Bürgern , insbesondere von Messerern, für die weitere wirtschaftliche Entwicklung fatal aus. Die Stadt erholte sich nur sehr langsam von diesem Aderlaß an Kapital und know how. Zur Zeit Maria Theresias verboten Auswanderungspatente die Abwan– derung von Sensenschmiedmeistern und -gesellen aus den österreichischen Erbländern bei Todesstrafe! Zu unterscheiden von der Auswanderung der Handwer– ker ist die Verpflichtung zur Wanderschaft, der Gesel– len - mit branchenspezifischen und regionalen Unter– schieden - seit dem Ende des 14. Jahrhunderts unter– lagen. Diese erzwungene Wanderschaft führte im lau– fe der Zeit nicht nur zu einem intensiven Austausch von Fachwissen , sondern brachte auch immer wieder neue Ideen, auch neue politische Ideen ins Land. Im 19. Jahr– hundert kam es auch auf diesem Weg zu einer Ausbrei– tung der Ideen der Arbeiterbewegung . Seit dem Ende des 15. Jahrhunderts war es in vielen Berufen nicht möglich , vom Gesellen zum Meister aufzusteigen , ohne einige Jahre auf Wanderschaft gewesen zu sein . Die Arbeits- und Lebensbedingungen vieler Arbeiter, vor allem in den niedrigeren Funktionen , waren im laufe der Entwicklung meist sehr schlecht. Mitunter zeigte sich daher auch Widerstand gegen die drückenden Verhältnisse. In den Jahren 1740 und 1764 gab es Auf– stände der Losensteiner Nagelschmiedgesellen, 1757 eine Empörung der Traunviertler Sensenschmied– knechte, die eine Verdrängung durch ungelernte Arbeits– kräfte befürchteten. Gegen die Arbeiter wurde jeweils Militär eingesetzt. Die „Schwarzen Grafen" 88 Man kann woh l von einer spezifischen Kultur der Sen– senschmiede - etwa in Micheldorf - sprechen , die als typisch bürgerliche bis großbürgerliche Kultur im Ge– gensatz zur bäuerlichen Kultur stand , indem die „Mo– den" der jeweiligen Zeit mitgemacht wurden. Aber die bäuerlichen Traditionen wurden von den Meistern nicht vollständig aufgegeben . Während die Sensenschmie– de und Hammerherren in der Steiermark nicht selten als Großunternehmer auch geadelt wurden , blieben die oberösterreichischen Gewerken Handwerker. Ihr „Adels– wappen" war das Meisterzeichen, das nicht nur in die 37

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2