Steyrer Werksarbeiter, 36. Jg. November 1983, Nr. 5

Die dunkelroten Schatten und die Rotscheucheri Geradezu gruselig liest sich der Titel zum Leitartikel des jüngst erschienenen "Gemeinsam", der von allen finanzierten Zeitung des Permanenzbetriebsrates. Demnach werfen die Betriebsratswahlen "dunkelrote Schatten " voraus und man möchte meinen, ein K. u. K. Hof-Schreiberling hätte den schreckenerregenden Titel in einem Wiener Cafe, anno 1917 in schauderhafter Angst vor der drohenden "roten Zukunft" ersonnen. Mitleid kommt auf - unweigerlich. Umsonst - es war nicht so. Kein K. u. K. Poet, sondern ein Mehrheitbetriebs- satsobmann der 2. Republik, textet gegen Ende 1983 in der Absicht lästige GLB-Kritik zum Schweigen zu bringen, derartiges -- wird geplagt von roten Ängsten - leidet unter Farbenangst, wie die Fachleute sagen würden. Wieder Mitleid - man kann nicht anders Humanist wie man ist. Dennoch, als kleiner dunkelroter Oppositionsbetriebsrat, kann ich mir den Vorwurf nicht ersparen, Fehleinschätzungen hinsichtlich der Farbechtheit und Verträglichkeit des eigenen Obmannes aufgesessen zu sein. Man irrt eben solange man lebt - kann diese raschen Veränderungen im Leben nicht immer richtig abschätzen - manches geht einfach zu schnell heutzutage - zugegeben. -eine leise Hoffnung bleibt mir trotzdem noch. Mag sein, daß der Betriebsratsobmann schon zu jener Sorte von Sozialdemokraten gehört, denen schon der deutsche Schriftsteller Tucholsky in den 20iger Jahren Verwechselbarkeit mit "Radieschen" nachsagte, in dem er glatt feststellte, sie wären außen rot und innen weiß. Ein glänzender Gemüse-Beobachter, dieser Tucholsky, damals schon, muß man bedenken. So gesehen wäre ich wieder aus dem Wasser, denn was man nicht sieht, kann man nicht sehen, überhaupt als dunkelroter, als Rauner wie Tucholsky wahrscheinlich sagen würde. Bei aller Selbstkritik, was nicht geht, geht eben nicht. Dem Betriebsratsobmann aber muß trotzdem geholfen werden. Diesem edlen Zweck dienen die folgenden Zeilen. "STEYRER WERKSARBEITER" BLEIBT KRITISCHES BLATT Was die beklagte Schreibweise des "Stey- rer-Werksarbeiters" betrifft, können wir leider keine aufweichenden Veränderungen in Aussicht stellen. Das Blatt wird weiterhin Arbeiterstandpunkte vertreten, kritisch schreiben und in der Themenstellung unbeeinflußbar sein. Die schwierige Form der Eigenfinanzierung (der GLB bezahlt nämlich seine Werkszeitung selbst), erlaubt es uns auch nicht, aus * Kostengründen Jubel-Meldungen aus dem "Gemeinsam" nachzudruk- ken oder allgemeine Informationen zu wiederholen. Dem Betriebsratsobmann steht jedoch selbstverständlich die Möglichkeit offen, sich mit Annoncen bei uns einzukaufen, soweit diese nicht Arbeiterinteressen verletzen. Ein faires Angebot, daß wir Dir hiermit machen, Kollege Obmann. DER IMAGE -BUMERANG Nicht so direkt können wir in Sachen "Betriebskaiser" helfen, denn die Feststellung, daß die Vorgesetzten in der Gunst der Belegschaften besser abschneiden, als die Betriebsräte, kommt nicht vom GLB. Eine Arbeiterkammeruntersuchung hat dieses peinliche Befragungsergebnis zu Tage gefördert und damit in den Medien breites Interesse gefunden. Der Kollege BO wende sich bitte an seine Genossen in der AK, und wir sind sicher, man wird ihn dort gut bedienen. Natürlich besteht die Gefahr für den BO, von den AK-Genossen berichtigt zu werden, denn dort weiß man natürlich auch, daß er die betreffenden Untersuchungsergebnisse genau kennt, auch deren Entstehung. Warum er diese Peinlichkeiten aber dem GLB unterjubeln will, kann nur an einer akuten Argumentationsarmut liegen, womit wir schon beim Thema Demagogie wären. Kollege Betriebsratsobmann: Nicht der GLB, sondern deine Genossen von der Arbeiterkammer haben eine Studie veröffentlicht, nach der die Betriebsräte schlecht wegkommen bei der Beurteilung durch die Belegschaft. Schön bei der Wahrheit bleiben, trotz der kommenden Wahlen. Fortsetzung siehe nächste Seite

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