Steyrer Werksarbeiter, 36. Jg. Mai 1983, Nr. 3

Offener Brief de* GLB an den aeschäftsführenden Vorsitzenden der Gewerkschaft Metall-Bergbau-Enorgie Sepp Wille: Keine Kompromisse bei Lohnausgleich! Werter Kollege Wille! promiß“ bei der ArbeitszeitverDer Gewerkschaftliche Linksblock In der Gewerkschaft MBE weist mit aller Deutlichkeit Deine in der „Presse“ vom 5. Mai 1983 abgedruckten Äußerungen zurück. Wir empfinden Deine Vorgangsweise als undemokratisch, da in keinem entsprechenden Gremium unserer Gewerkschaft Beschlüsse dieser Art gefaßt wurden. Die von Dir geforderten Maßnahmen kommen den Wunschvorstellungen der Unternehmer weitgehendst entgegen. Es ist erstmalig in der Geschichte der österreichischen Gewerkschaftsbewegung, daß ein Gewerkschaftsfunktionär vorschlägt, daß die Arbeiter und Angestellten selbst die Kosten einer Arbeitszeitverkürzung tragen sollen. Du weißt, daß unsere Fraktion einer solchen Formulierung auch im Zentral vorstand der Gewerkschaft nicht die Zustimmung gab. Denn eine 35-Stunden-Woche ohne vollen Lohnausgleich bedeutet nichts anderes, als eine gesamtnationale Kurzarbeit! Die von Dir vorgeschlagene „Drittellösung“ der Kostenaufteilung zwischen Staat, Unternehmer und Arbeitern lehnen wir daher entschieden ab. Ebenso verhält es sich mit den von Dir vorgeschlagenen Verhandlungen über branchenweise Arbeitszeitverkürzung in den Krisenbetrieben. Die Unternehmer können sich wahrscheinlich nichts besseres vorstellen, als die Arbeiter in den Krisenbetrieben noch mehr unter Druck setzen zu können. Warum sollen gerade1 jene Kollegen, über deren Köpfen' ohnehin düstere Wolken hängen, jetzt auch noch Lohneinbußen durch einen „Sozialpartnerkomkürzung erleiden? Eine solidarische Lösung ist unserer Meinung nach die Einführung der 35-Stun- den-Woche bei vollem Lohnausgleich und für alle Kollegen! Die Arbeitslosenbeiträge für die Arbeiter sollen hinaufgesetzt werden, das ist nichts anderes als ein neuer Belastungsstoß gegen die arbeitenden Menschen. Das Unterscheiden zwischen den einen, die sich. Deiner Meinung nach, eine Arbeitszeitverkürzung verdienen, und den anderen, die sfe sich nicht verdienen, ist ein Aufspalten der Arbeiterbewegung, wie sie den Unternehmern nur willkommen sein kann. Wir weisen sämtliche Verschlechterungen von sozialen Errungenschaften, wie die Besteuerung von Kinder-, Heirats- und Geburtenbeihilfe zurück. Weiters fassen wir es als eine Provokation der Metallarbeiter auf, wenn Du als Geschäftsführender Vorsitzender in der Unternehmerpresse den Abbau sogenannter „überhöhter Sozialleistungen“ forderst. Werter Kollege Wille! In Sorge um die Zukunft der Metallarbeiter, die schon Opfer genug bringen mußten, gehen wir mit diesem Brief auch in die Öffentlichkeit, wie Du es bereits in der „Presse“ getan hast Die Metallarbeiter draußen in den Betrieben sollen und werden sich ein Bild davon machen, was Spitzenfunktionäre in der Öffentlichkeit von sich geben, und in wessen Interesse diese Vorschläge liegen. Wir fordern Dich auf, in der nächsten Sitzung des Zentralvorstandes unserer Gewerkschaft Rede und Antwort zu diesen un- ternebmerfreundlichei^ eigenmächtigen Äußerungen zu stehen! Bundessekretariat des GLB in der Gewerkschaft MBE Für offenere Diskussion! Gegen Selbstherrlichkeit! Das Abrücken von einer zur zu 50% lohnausgeglichenen Arbeitszeitverkürzung auf 35 Wochenstunden sowie vom beabsichtigten Sozialabbau ist begrüssenswert und sicherlich ein wichtiger Erfolg der Steyrer-Arbeiterschaft. Es freut uns, * daß die SPÖ-Betriebsrats- mehrheit die Gefährlichkeit und schlechte Beispielswirkung einer nicht ausgeglichenen Arbeitszeitverkürzung auch erkannt hat und jetzt, ebenso wie der GLB dies vom Anfang an vertreten hat, gegen den Sozialabbau argumentiert. So gesehen, bestätigen die SPÖ Gewerkschaftsführer im nachhinein die Argumentation des GLB. Viele Kolleginnen und Kollegen fragen sich natürlich mit Recht, wie derartige Verhaltensunterschiede in so kur Zeit und in den gleichen Funktionären Zustandekommen können. Sicherlich spielt dabei auch eine zur Methode gewordene Selbstherrlichkeit der SPÖ- Gewerkschaftskaiser ihre Verursacherrolle. Denn eines ist klar: niemand soll sich in der Gewerkschaftsbewegung einbilden, er wäre zu groß oder zu mächtig, als daß er die Argumente der fraktionellen Gegenseite nicht abzuwägen und zu prüfen hätte.Gerade diesbezüglich verhalten sich die SPÖ-Gewerkschaftsspitzen laufend falsch. Wir glauben an die Vermeidbarkeit von solchen Argumentationswidersprüchen durch eine offenere, korrektere innergewerkschaftliche Diskussion. Solange aber ein paar SP-Gottsober' fraktionsintern einem hörigen SP-Fur. tionärsapparat sagen, was dieser zu sagen hat und Argumente von anderen Fraktionen in jedem Fall und von vornherein unrichtig sein müssen, wird sich an diesem Zustand nichts ändern. Ein paar treue Blicke weniger und ein paar konsequente Äußerungen mehr in Richtung Gewerkschaftsführung seitens der unteren Funktionärsschicht könnten hier auch Abhilfe schaffen. Aber da tut sich weniger. Die Devise lautet noch immer: nur schön nachsagen, was von oben verlangt wird - denn so gehts eben so manchem kleinen Funktionär in der Mehrheitsfraktion - das verdammte Risiko bei der lieben Kariere. Einfach ein Dilemma! LINKSBLOCK STÄRKENI

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