Steyrer Werksarbeiter, 33. Jg. August 1981, Nr. 4

NACHTSCHICHT-SCHWERARBEITERGESETZ Das Gesetz bleibt weit hinter den Erwartungen zurück Seit 1. Juli ist das Bundesgesetz über Schutzmaßnahmen für NachtschichtSchwerarbeiter in Kraft. Daß dieses Gesetz im Nationalrat beschlossen wurde, ist ein Erfolg des Drucks aus den Betrieben. Der Gewerkschaftliche Linksblock spielte dabei eine initiative Rolle. Das Gesetz bleibt aber weit hinter den Erwartungen der Kollegen und den sozialpolitischen Notwendigkeiten zurück. Das Gesetz betrifft konkret Arbeiter und Angestellte, die NachtschichtSchwerarbeit leisten, etwa unter Tage, bei besonderer Hitze, Kälte oder Lärm, Arbeitsgeräte verwenden, die durch Erschütterung auf den Körper einwirken, Atemschutzgeräte tragen müssen, am Bildschirm arbeiten oder gesundheitsschädliche Stoffe einatmen. Die Schwerpunkte des Gesetzes sind: Das Sonderruhegeld Wer in den letzten 20 Jahren mindestens 15 Jahre Nachtschicht-Schwerarbeit geleistet hat, kann bereits mit 57 Jahren in den Ruhestand treten. Er erhält das Sonderruhegeld in der Höhe der sonst zustehenden Pension. Anspruch auf Abfertigung besteht wie bei der Frühpension. Das Anfallsalter reduziert sich ab 1984 und erlischt mit 1990, das heißt, ab 1991 gilt auch für die Nachtschicht-Schwerarbeiter wieder das normale Pensionsalter. Zusatzurlaub Für die ersten fünf Jahre NachtschichtSchwerarbeit gebührt er in der Höhe von zwei Werktagen, von vier Werktagen nach weiteren fünf Jahren und von sechs Werktagen nach 15 Jahren solcher Arbeit. In jedem Jahr muß mindestens 60mal zwischen 22 Uhr und 6 Uhr Schwerarbeit geleistet worden sein. Einschlägige Arbeiten bei anderen Unternehmen können angerechnet werden. Bei jeweils 30mal Nachtschicht-Schwerarbeit gebührt der halbe Zusatzurlaub. Besonderer Kündigungsschutz Der Nachtschicht-Schwerarbeiter kann nicht aus Gründen seiner langjährigen Nachtschicht-Schwerarbeit gekündigt werden, wenn er »ohne erheblichen Schaden für den Betrieb« anderweitig beschäftigt werden kann. Eine sichtlich unzureichende Gummibestimmung. Kurzpausen Sie gebühren im Ausmaß von zehn Minuten bei jeder Nachtschicht. Bisher eingeräumte Kurzpausen können allerdings angerechnet werden. Es ist dies daher praktisch keine Verbesserung. Betriebsärztliche Betreuung Sie ist in jedem Betrieb vorgeschrieben, wo mindestens 50 Arbeiter mindestens 50mal im Jahr Nachtschicht-Schwerarbeit leisten. Anträge können schon gestellt werden Ab sofort kann bei der zuständigen Pensionsversicherungsanstalt das Sonderruhegeld beantragt werden. Bereits eingebrachte Anträge auf Sonderruhegeld gelten als mit 1. Juli 81 gestellt, Anträge, die bis 30. September 1981 gestellt werden, bewirken (wenn die sonstigen Anspruchsvoraussetzungen zum 1. Juli 1981), daß das Sonderruhegeld rückwirkend ab 1. Juli 1981 gewährt wird. Meilenstein mit Abstrichen In der Natinalratsdebatte bezeichnete Ruhaltinger (SP) das Gesetz als »Meilenstein in der Geschichte der Sozialgesetzgebung«. Er mußte allerdings zugeben, daß »nicht alle ursprünglichen Vorstellungen verwirklicht wurden«. Zur Finanzierung des Gesetzes: Es sei nur richtig, daß die Unternehmer »etwas zu bezahlen haben«, erstens müsse hier das Verursacherprinzip gelten und schließlich ziehen sie auch den Nutzen aus der Schicht- und Schwerarbeit. • Wimmersberger (VP) reklamierte die »Kompromißregelung« für seine Partei, deren Widerstand ja tatsächlich zu einer wesentlichen Reduzierung der ursprünglichen Verbesserung für die Schicht- und Schwerarbeiter beigetragen hat. • Haider (FP) blieb es vorbehalten, diese, wenn auch gewiß ungenügende, Verbesserung für einen Teil der Arbeiterschaft als »Kieselstein am Hohlweg eines finanziell überforderten Sozialstaats« zu klassifizieren. Ein unmißverständliches Plädoyer für einen sozialen Abbau. • Sozialminister Dallinger verteidigte das Gesetz als einen Schritt in Richtung »Humanisierung der Arbeitswelt«. Er kündigte ferner eine Arbeitszeitverkürzung in zwei Etappen an, die erste Etappe noch für diese Legislaturperiode. Linksblock Unberechtigte Abstriche ÖGB-Führung »vergißt« eigene Forderungen! Die neuerliche Kapitulation der Gewerkschaftsführung vor den Unternehmern zeigt, daß die Sozialpartnerschaft den Unternehmern nützt und den Arbeitern und Angestellten schadet. Es ist bemerkenswert; daß die rdikalsten Abstriche vom ursprünglichen Entwurf bei den vorbeugenden Maßnahmen (Kurzurlaub, Pausen) erfolgte. Salcher-Plan ändert nichts am Steuerunrecht! Dieses Ergebnis ist umso enttäuschender, als es nichts an der in Österreich bestehenden Steuerungerechtigkeit ändert. Wurde schon seit der Reform 1975 von jeder teuerungsbedingten Lohn- und Gehaltserhöhung durch die Progression ein überproportionaler Teil weggesteuert, soll sich an dieser ungerechten Praxis auch weiterhin sp gut wie nichts ändern. (Stieg die Lohnsteuer zwischen 1975 und 1981 von 26,5 Milliarden Schilling auf 70,1 Milliarden Schilling, so stieg die Einkommenssteuer nur von 16,9 Milliarden Schilling auf 22,6 Milliarden Schilling, obwohl die Unternehmereinkommen wesentlich rascher gestiegen sind. Ergebnis des Zurückweichens der ÖGB-Führung Unsere Fraktion protestiert entschieden gegen die ungenügende Lohnsteueranpassung und gegen die Praxis der ÖGB-Führung, ein solches Ergebnis zu akzeptieren, was nur unter der Voraussetzung der Ausschaltung der Masse der Mitglieder möglich war. Jetzt gilt es, den Kampf um eine echte Gesamtsteuerreform mit Umverteilungscharakter weiterzuführen und den Druck aus den Betrieben zu verstärken.

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