Steyrer Werksarbeiter, 21. Jg., September 1968, Nr. 6

' 1 „DIE PILLE" - wie man sie populär nennt .-, dieses Mittel der Empfängnisverhütung und bester Garant fGr Wunschkinder, hat bei der Einnahme wohl Nebenwirkungen zur Folge, aber keine Schäden, wie man nach 12jährigar Erfahrung bereits mit Sicherheit sagen kann. Die Nebenwirkungen können zeitweilige Übelkeit sein, ein Spannungsgefühl in Brust und Bauch. Kopfschmerz oder vorübergehende Gewichtszunahme. also völlig ungefährliche Nebenwirkungen, deren Auftreten durch eine Änderung des Präparates oder der Dosierung ausgeschaltet werden kann. Nur ganz wenige Frauen können die Pille überhaupt nicht einnehmen. Welche Funktion hat die Pille? Die Pille bewirkt einerseits auf hormoneller Basis die Hemmung der Eireifung, Ihre chemische Wirkung erzielt im Muttermund einen Schleim. der für den männlichen Samen nicht durchgängig ist Und schließlich verändert sie die Gebärmutterschleimhaut vorübergehend. so daß sie nicht mehr für die Einnistung eines Eies geeignet ist. Dieser letzte Vorgang ist nichts anderes als eine Nachbildung natürlicher Vorgänge im weiblichen Körper. es ist eine weithin bekannte Tatsache. daß nach der Geburt im Körper _eine hormonelle Umstellung erfolgt, die für einige Zeit eine neue Schwangerschaft verhütet. Die Pille bewirkt ganz einfach eine Verlängerung dieses Zustandes. in dem die Frau nicht empfangen kann. Warum gerade die Pille? Dr. Traun ist der Ansicht. daß die Pille von der Ärzteschaft rückhaltlos gegeben werden müßte, um die unsachgemäße Abtreibun9 mit ihren Gefahren zu unterbinden. die in Österreich noch immer an der Tagesordnung ist. ..Wir bejahen die Pille ärztlicherseits als Mn• thode", sagte er, .. denn sie erfüllt all clas, was wir von einem Verhütun~Jsmittel verlangen". Das ist erstens Sicherheit in Praxis und Theorie. In der Praxis von 12 Jahren hat· sie ihre Sicherheit bereits erwiesen. Was die Theorie betrifft. bedeutet es. daß man auch wissen muß. wie das Mittel angewandt wird. Die 'Pille ist sicher, zumutbar. unschädlich. ihr Preis von rund S 30.- pro Monat fi.ir den Durch_- schnittsbürger erschwinglich. Sie erfüllt also in vollem Maße alle Forderungen. die an ein Verhütungsmittel gestellt werden können. Der Arzt und die Pille Jeder Arzt sollte natürlich die Methoden der Schwanqerschaftsver• hütung beherrschen-,::_ und die Pille ist nur eine davon - aber sie gehört zu den wichtigsten, ouch wenn man in Österreich in dieser Frage gegenüber anderen Ländern noch weit nachhinkt. Sie soll aber nicht auf Verlangen einfach auf ein Dauerrezept verschrieben werden. ebensowenig wie jedes andere Medikament. Sie gibt dem Arzt die Möglichkeit. den Gesundheitszustand seiner Patientin ständig unter Kontrolle zu halten, wenn sie allmonatlich um ihr Rezept kommt - nicht in Erwartung einer Schädigung durch die Pille sondern als wi!ikommene Gelegenheit, durch regelmäßige Untersuchungen vielleicht Frühformen von Krebs aufdecken zu können. Oft wird er zu spät entdeckt. da zu v,enige Frauen den Gynäkologen regelmäßig aufsuchen. Aufklärung und Propagierung Es ware natürlich dringend notvvendig, eine breite Aufklärungskampagne (.iber dieses wertvolle Verhütu ngsrnittel zu führen. sei es durch öffentliche Vorträge. sei es in Betrieben. oder auf sonst einem Weg. In Österreich aber ist man immer noch geneigt. möglichst wenig davon zu sprechen. Mutterberatungsstelien und Fürsorgerinnen könnten. ähnlich wie in Japan. damit beiraut werden. Hier allerdings wirken konservative Kreise - die keineswegs rnit kirchlichen Kreisen identisch sind - ausgesprochen hemmend. Segnungen der Vorbeugung Vorbeugung bei jeder Art von Krankheit ist rentabel. Ebenso wäre die vorbeugende Empfängnisverhütung wirtschaftlich ren - tabel. Viele junge Frauen fallen durch eine unerwi.inschte Schwan - gerschaft aus dem Wirtschaftsprozeß aus. Daß außerdem ihre Gesu•)ciheit oft gefährdet ist. weil sie sich aus finanzieiien Gründen in die Hände von Pfuschern beoeben müssen, kommt als Gefahrenmoment noch hinzu. Bringen sie aber ein ungewolltes Kind trotzdem zur Weit. le.idet das kleine Wesen oftmals in der Fa - rnilie. wenn es zu spüren bekommt. daß es eine unerwünschte Last ist. Das ist eine Verurteilung. von de, wir nicht das Recht haben. sie einem Menschen zuzumuten, .A-.uch das uneheliche Kind ist in Österreich ein wesentlicher Faktor 12 bis 14 Prozent aller Kinder in unserem Land sind außerehelich geboren. wir halten damit in Europa die Spitze. Ein solches Kind bedeutet Kummer und Jammer für die junge Mutter und das Kind selbst Auch hier wäre die Pilie von großer Bedeutung. Viele Menschen kritisieren die Tendenz zur Frühehe in unseren Tagen. Aber 50 Prozent aller Ehen unter 20 werden geschlossen, weii das Mädchen ein Kind erwartet. Die Unreife der Partner führt zu einer hohen Scheidungsquote. Die Pille könnte auch solches Leid verhindern helfen. Unsere Forderung zur Vorbeugung gegen die gefährlichen Schwan· gerschaftsunterbrechungen ist daher eine echte Propagierung dieses gesundheitlich. ethisch und psychologisch besten Verhütungs - mittels. eine weitgehende Aufklärung und die Errichtung von öffentlichen Beratungsstellen. wie es sie in den angelsächsischen Ländern schon seit Jahrzehnten gibt. Die Pille kann helfen. die Harmonie einer jungen Ehe zu festigen. ohne daß die Frau, nhne daß die Partner /1,ngst. Kummer und Sci1w;erigkeiten zu erleiden haben.

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