Steyrer Werksarbeiter, 13. Jg., März 1959

Die Wahrheit · über die Vonerlegung der Nationalratswahlen Am 5. März hat die Bundesparteileitung der ÖsLerreichischen Volkspartei beschlossen, die Vorverlegung des Wahltermins auf den Mai zu verlangen. Schon einen Tag später, am 6. Mä1·z, lu1t die Pal'teh'ertretnng der Sozialistischen Partei Österreichs ihro Zustimmuug zum Friihjahrswabltermin gegeben. Die österreichischen Wähler und Wählerinnen werden also ein Jahr vor Ablaur der Funktionsperiode des Nationalrates zu den \Vahlurncn schreiten. Warum? Bestehen vielleicht so tiefgehende Gegensätze zwischen den beiden Koalition.~parteien, daß eine weitere Zusammenarbeit unmöglich geworden ist 1 Hält es vielleicht die eine oder die andere der beiden Koalitionsparteien für notwendig, iri entscheidenden Fragen eine andere Politik zu machen als der Koalitionspartner 1 Beide Koalitionsparteien versuchen, den Wählern so (ltwas einzmeden und sie über die wa.h1·e11 Ursachen fiir die Vorverlegung der Wahlen zu täuschen. Wir halten es daher für notwendig, dal3 die Wähler und Wählerinnen sich aut Grund der Tatsaclien selbst ein klares Ud.eil bilclen. · Zlllläcbst einmal: Geht es um die Frage „Koa1Hio11sregiet·1111g ode1· nicht t" Noinl Beide Regierungsparteien bekerlJlen sich selbst i11 ihren Beschlüssen über die vorzeitige Parlamentsauflösung zur Fortsetzung der Koalition auch nach den Wahlen! lm Beschluß <ler ÖVP heißt es wörtlich: ,,Es wird erforderlich sein, daß wir uns auch nach doll Wahlen im Int.ei•e,;se der Et·haltung von Österreichs Stabilität wieder zu oinor J{oafü,io11 zustommenfindon." Und der Beschluß der SPÖ fordert ga,uz entschieden die „Fortsctznng der politischen Zusamn.enarbeit in O~t.crreich" . Es goht also nfoh1 um die Fortsetzung odor A urlösung der Koalif.ion. Die Koalition bleibt un;; nach ~rlem Willen beider Pa,rteileitungen erhalten. Geht es also vielleicht, nm einen Volksentsclloid über die ,,sch1venviegendcn innen- und auße111>olit:iseho11 fü,tscheidungen, die in 11äcl1ster Zeit zu trefl'en sind", wie tlie ÖVP i11 ihrem Leitnngsheschlull sagt 1 Nun, ,vir wissen, daß in den ganzen langen Jahren der Koalition die beiden R.egierungspad.eien in a~leu eutscheideodco Fragen im wesentlichen immer ein und dieselbe Politik gemacht haben. SoUte das vielleicht nicht ))lehr der Fall sein? Und welches sind denn die „schwerwiegenden innen- und außenpolitischen Entscheid'llngen", von denen d,ie ÖVP' spricht 1 Es ist.zweifeJlos richtig. daß die Regierungsparteien unser Land in eine Lage gebracht haueu, die in allernäel11,t,e,r Zukunft schwerwiegende Folgen erwarten läßt. Gesicherte Vollbeschäftigung bat uns die Iioalition all dio Jah,·e her versprochen. Aber heute schon ist die Arbeitslosigkeit höher als bisher - mehr aL~ eine VierteJmiJJion Menschen sind ohuo Arbeit - und in allernächster Zukunft stehen in entscheidenden Branchen nnd Betrieben neue Entlassungen bevor! Man will sie nicht vor den Wahlen durchführen - aber man will auch nicht bis zum Herbst damit zuwa.rten? WTB FRAG}~N: Ist eine der beiden Koalitionsparteien bereit, sich den Wählern gegenüber zu verpflichten, daß keine w.uitcren Eutlassuugcn durchgeführt, und daß neue Arbcitsplülze geschaffen wenlen 1 Stabile Preise hat uns die Koalition all die Jahre her versprochen. Aber die Preise sind immer wieder gestiegen und eine große Welle der Proiserhühungcm stebi neucrdingt hcvor. Mau will sie nicht vor den Wahlen dut'chführen - ·aber ma.n will auch ni-Oht bis zum Herbst dam~t zuwarten. WIR FRAGEN: Ist eine der beiden Koalitionsparteien bereit, sich den W[thJern gegenüber zn verpflichten, daß sia Jotle weitere Preiserhöhung v.erl1inderu wird i Don Wohlfahrtsstaat ha.t man uns all die Jahre her vorkiindet. Aber die Koalition hat bereits oinvernehmlicb die Rezopfgobühr und die Krankcnscheingebüllr eingefültrt und die Leistungen der Krankenkassen wnrdou ciugeschrfütkt. Weitere entscheidende Verschlechterungen sollen iiJ allernächster Zeit durchgeführt werden. WIR FRAGEN: Ist eine der beiden KoaJitionspa.rtßien bereit, sich den Wählern gegOllü.l>er ,u vecpßich,t,en, da.ß" ll~ weitere V crschlochtorung tlcr Sozialversiel1orung eintritt 1

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