Geschütz-Bohrmaschine des Büchsenmachers Pbilipp Moench aus dessen „buch der stryt von buchsse“ (1446). stellung einer Geschützbohrmaschine aus der Zeit um 1450, bei der im umgekehrten Bohrvorgang der von oben herabkom¬ mende, sich in einem Lager drehende Meißelhalter in das zwischen vier Gestellpfosten aufgestellte Rohr hineinarbeitet. Der Meißelhalter ist unmittelbar mit einem Göpel verbunden den Pferde antreiben. Durch Seilwinden wird der Bohrer bei fortschreitender Versenkung nachgelassen. Kräftiger gebaut, leistungsfähiger und von vier Pferden an¬ getrieben ist die in der Heidelberger Handschrift „buch der stryt von buchsse' des pfälzischen Antwerkers Philib Moench dargestellte Geschützbohrmaschine aus dem Jahre 1496. Sie ist die bestausgeführte Geschützbohrmaschine ihrer Zeit. Moench bearbeitet den in die Erde eingesetzten Mörser mit einem von Stahlmeißeln besetzten Bohrkopf, der gleichfalls durch Seilwinden gesteuert werden kann. Der Italiener Vanuccio Biringuccio, der Vorläufer des Deut¬ schen Agricola, liefert uns in seinem weitverbreiteten Werke „De la pirotechnia“ Venedig, 1540, die erste ausführliche Be¬ schreibung des Bohrens von über Kern gegossenen Geschützen auf einer Horizontalbohrmaschine. Die von ihm beschriebene Bohrmethode blieb noch das ganze 17. Jahrhundert in An¬ wendung. Erst das beginnende 18. Jahrhundert bringt die Um stellung auf das Bohren vollgegossener Geschützrohre, bei der der Kasseler Geschützgießer Keller Pionierarbeit leistet, der 1720 wieder mit einer Vertikalbohrmaschine arbeitet. Eine Reihe von Geschütztechnikern, besonders die aus Burgdorf bei Bern in der Schweiz stammende Erfindergeneration Maritz, der belgische Generalmajor Ulrich Huguenin, der französische Ar¬ tillerieingenieur Villons, der englische Ingenieur Wilkinson voran aber der Deutsche Georg Friedrich Reichenbach, Stück¬ bohrmeister der kurpfälzischen Stückbohrerei und Erbauer des militärischen Gieß- und Bohrhauses in Augsburg sowie des Kanonenbohrhauses im Wiener Arsenal (1821), haben neue, ver¬ besserte Geschützbohrmethoden ausgearbeitet, die im wesent¬ lichen darin bestanden, daß nicht mehr der Bohrer, sondern das Werkstück bewegt und vorgeschoben wurde, wodurch die Genauigkeit des konzentrischen Bohrens bedeutend erhöht werden konnte. Weist demnach die Technik des Geschützbohrens und ihrer Maschinen zu Beginn des 19. Jahrhunderts bereits einen be¬ achtlichen Stand auf, so ist in der deutschen Maschinenindustrie die Bohrmaschine zu jener Zeit noch fast unbekannt. Auf der Deutschen Gewerbeausstellung in Berlin im Jahre 1844 gibt es wohl Drehbänke und Hobelmaschinen, jedoch noch keine einzige Bohrmaschine. Dem Berliner Schlosser August Hamann, der in England die Bedeutung des Werkzeugmaschinenbaues kennengelernt hat, gebührt das Verdienst, als Begründer des deutschen Bohrmaschinenbaues genannt zu werden. Hamanr hat sich jedoch nicht damit begnügt, das englische Vorbilc nachzuahmen, er hat mit Erfolg nach Verbesserungen gesucht, die den Weg zur leistungsfähigen Bohrmaschine eröffneten. Was für Norddeutschland Hamann war, bedeutete für Süd¬ derdehland der 1798 in Bürstling bei Gmund geborene baye¬ macher Johann Mannhardt. Im Jahre 1814 machte in München eine bescheidene Werkzeugmaschinen¬ ehn Jahre später, bei der Allgemeinen deutschen tellung in München, glänzte er bereits mit einer schine mit allseitiger Anwendung der Spaltbremse; nbohrmaschine mit Parallelschraubstock auf dem Tisch; einer Ständerbohrmaschine mit vierfacher e, achtmaliger Versetzung der Geschwindigkeit, Selbstbetrieb des Bohrers und Räderübersetzung, vertikaler und zweifach horizontaler Tischbewegung mit Schraube; einer ähnlichen Maschine mit Handbetrieb des Bohrers, dreifacher Räderübersetzung, damit sechsmaliger Geschwindigkeitsver¬ änderung, die vertikale Tischbewegung mit Zahnstange und Schraube ohne Ende. Das allgemeine, im Neuen Kunst- und Gewerbeblatt in Bayern veröffentlichte Urteil über den Mann¬ hardtschen Werkzeugmaschinenbau aber laufete: „Es unterliegt keinem Zweifel, daß die Arbeitsmaschinen des Herrn Mann¬ hardt eine Vergleichung mit den besten englischen Fabrikaten dieser Art nicht zu scheuen haben, dieselben vielmehr durch Geschützbohrmaschine von Vanuccio Biringuccio um 1540. viele wesentliche Verbesserungen, welche Herr Mannhardt an¬ zubringen fortwährend bemüht ist, übertreffen. Der deutsche Werkzeugmaschinenbau hat also den englischen Vorsprung nicht nur aufgeholt, sondern genau so, wie die steyerische Kleineisenindustrie die englische auf der ganzen Linie schlug, das britische Monopol gebrochen. Dies war der Stand der Bohrtechnik in Deutschland bis zum Vordringen des Spiral¬ bohrers in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die erste Kunde über den Spiralbohrer findet sich in der von William Bailey herausgegebenen Schrift „The advancement of arts and manufactures, die den schon im Jahre 1770 von P. Cook in England — allerdings nur für Holz — verwendeten „Spiral- oder gewundenen Bohrer“ beschreibt und abbildet. Spiralbohrer für Metall wurden erstmalig seit 1820 benutzt. Auch Dingler weist 1822 in seinem „Polytechnischen Jour¬ nal“ auf Spiralbohrer hin. Der in Düsseldorf lebende Schweizer Martignoni war es, der den Spiralbohrer in Deutschland einführte. Doch lange Jahre braucht es, bis sich die Er¬ Sehane kenntnis durchringt, daß der Spiral¬ bohrer nicht nur genauer, sondern Mie hder dt. auch wirtschaftlicher arbeitet, da seine stumpf gewordene Schneide ohne Beeinträchtigung der Maßhaltigkeit immer wieder nachgeschliffen werden kann. Trotzdem behauptet der billige, in den Werkstätten zumeist selbst hergestellte Spitz-, Herz- oder Zen¬ trumbohrer noch lange seine Stel¬ lung. Jedoch die das 20. Jahrhundert kennzeichnende Rationalisierung, vor allem aber der die Grundlage der Großserienfertigung bildende Aus¬ tauschbau zwingen zu immer höherer Genauigkeit und Beschleunigung in der Fertigung. Der alte, gute Zen¬ trumbohrer kann diesen Anforderun¬ gen nicht mehr nachkommen. Der Siegeslauf des Spiralbohrers und der von der Werkzeugmaschinen-Indu¬ strie Deutschlands entwickelten Hoch¬ leistungs-Präzisionsbohrmaschine be¬ ginnt. Quellen: Wilhelm Hassenstein, Das Feuerwerkbuch von 1420; Walter Springer, Der Weg zur modernen Bohrmaschine (Werksgeschichte der Ma¬ schinenfabrik Hermann Kolb, Köln-Ehren¬ feld). Spiralbohrer für Metall, 1822 (Dingler) Spiral-oder gewundener Bohrer für Holz nach P. Cook (1770)
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2