sich neun Tage vorher nicht zu waschen und nicht zu beten. Aber es ist schon oft geschehen, daß die Ochsen dem lauschenden Bauern seinen Tod für das kommende Jahr vorhergesagt haben. Überhaupt sind die Rauhnächte Schicksalsnächte über Leben und Sterben, in denen sich auch das Liebes= und Heiratslos entscheidet. Wer mutig ist, kann manches über die Zukunft erfahren. Wer es wagt, in der Thomasnacht oder in der Mettennacht zwischen 12 und 1 Uhr auf einem Kreuzweg, auf dem zu zwei verschiedenen Pfarreien die Toten getragen werden, sich in einen mit einem Haselstock gezogenen Kreis zu stellen, der kann sehen, was das kommende Jahr ihm und seinen Nachbarn alles bringen wird. Er darf aber neun Tage vorher keine Kirche besuchen, nicht beten und kein Weihwasser nehmen noch Brot oder Brosamen bei sich tragen, denn Brot ist etwas Heiliges. Er darf sich nicht verleiten lassen, aus dem Kreis zu treten, wie schrecklich das auch sein mag, was er zu sehen bekommt und wie gern er die Flucht ergreifen möchte; er würde augenblicklich vom Teufel, dem er einen mitgenommenen schwarzen Hahn zu¬ werfen muß, zerrissen werden. Besonders neugierig sind — wie immer — die heiratslustigen Nädchen. Sie suchen auf allerlei Weise zu erfahren, ob ihnen im nächsten Jahre ein Bräutigam beschieden sein wird. Schon am Barbaratag, 4. Dezember, schneiden sie Kirschzweige ab und wässern sie im warmen Zimmer ein. Das Mädchen, dessen Zweig bis Weihnachten Blüten treibt, kann im kommenden Jahr auf seine Hochzeit sich freuen. Am Thomastag läuft die Dirn im Ennstal in den Obstgarten hinaus, beutelt einen Zwetschken= oder Weichselbaum und sagt dazu: Kirschbaum, i schüttl di, laß mir a Hunderl bell'n, von wo sie mei Schatz wird meld'n.“ Thomas, i bitt di, Dann lauscht sie gespannt hinaus in die Dunkelheit und woher das erste Hundegebell zu hören ist, von dort wird der ersehnte, künftige Bräutigam kommen. Drüben im Steyrtal jedoch tritt in der gleichen Nacht das Mensch die äußere Bettwand dreimal und spricht dazu: laß mir heut' nacht erschein' Böttstaffl, i tritt di, den Herzallerliebsten mein.“ Thomas, i bitt di, Besonders neugierige Mädchen schauen in der Heiligen Nacht nach dem Mettengang in den Backofen oder in den Rauchfang. Da können sie dann ihren Zukünftigen sehen oder aber den, der im kommenden Jahr wird sterben müssen. Zu Neujahr sind, nachdem das alte Jahr mit Pistolenschuß und Büchsenknall verabschiedet und des neuen Jahres jüngster Tag mit Böllern begrüßt worden ist, Schuhwerfen, Spanziehen und Bleigießen ebenso beliebte Orakelspiele wie das Hüatlheben. Unter sieben Hüte werden symbolisch bedeutsame Dinge gelegt: Ring = Heirat, Schlüsselbund= Hauswesen, Geld = Reichtum, Puppe = Kind, Kreuz Leid und dergleichen. Ein Hut bleibt leer. Jeder hebt einen Hut, und was darunterliegt zeigt ihm sein Schicksal im nächsten Jahre an. Der leere Hut kündet dem, der ihn lüpft den Tod. Beim Schuhwerfen wirst der Bursch oder das Mädel den Schuh über den Kopf der Türe zu; zeigt die Schuhspitze hinaus, so heißt es „wandern". Beim Spanziehen werden aus einem Bündel die Holzspäne paarweise ausgezogen; bleibt am Ende ein Paar übrig, dann wird im Hause bestimmt Hochzeit gefeiert. Am Dreikönigtag wird auch offenbar, wer von den Hausangehörigen am reichsten wird. Nach dem Abendessen tischt die Bäuerin als letzte Speise eine Schüssel Milch auf. Jeder nimmt ein bißchen davon, läßt aber seinen Löffel in der Schüssel. In der Nacht kommt die „Perschtmuada' mit ihren Kindern, den zwölf Zoderwascherln und ißt davon. An wessen Löffel sich bis zum nächsten Tag der meiste Nahm angelegt hat, der wird am reichsten. Die Milchsuppe heißt „Perschtsuppe“. In unseren Gebirgsgräben bringt heute noch vielfach die Percht die Gaben, denn Christkind und Christbaum kennt man dort noch nicht lange. In Wolfern kommt das „Goldene Rössel und füllt den Kindern das Backkörbchen mit Apfeln, Nüssen und Zuckerwerk. Und wenn es auch keine wertvollen Geschenke bringt, so ist doch sein Erscheinen für unsere Bauernkinder ebenso wunderbar, wie Odins acht¬ beiniger Hengst einst für unsere germanischen Ahnen es war. Gerade in der Julzeit erinnert noch mancher uralte Brauch an die Ver¬ ehrung, die das Pferd bei den Germanen genoß. Die Julumritte und und die Stephansritte im Innviertel ebenso wie die Gebildbrote in Pferdeform, die früher zu Weihnachten gebacken wurden. Bedauerlicherweise sind die vielfältigen Brotformen zur Julzeit — die symbolischen Opfergaben — heute schon recht selten geworden, doch kann man da und dort noch alte Backformen finden, die noch ganz die Form germanischer Sonnensinnbilder haben: Sechsstern, zwölfteiliger Stern und Radkreuz. Aber auch Pferde, Reiter, Juleber und Lebensbäume wurden früher in jedem Bauernhause aus Lebkuchenteig gebacken. Heute sind vor allem Störlaib und Kletzenstriezel und die herrlich dustenden Bauernkrapfen mit dem goldbraunen Ranst das übliche Gebäck der Rauhnächte. Jeder Hausinwohner bekommt seinen Störlaib aus feinem, weißem Mehl. Manche Magd, die den ihren besonders gut haben will, gibt der Bäuerin dafür Rosinen und Zibeben, denn sie will Ehre einlegen, wenn am ersten Feiertag der „Bua“ zum feierlichen Anschneiden kommt. Doch auch Frohsinn und Heiterkeit, die wie keckes Wagen, rührige Arbeitsamkeit den Oberdonauer kennzeichnen, kommen in den Rauh¬ nächten nicht zu kurz. Wenn zu den „Fei'tan' die „Sippschaft zusammenkommt, werden nicht nur die innigen alten Weihnachtslieder und fröhlichen Hirtenlieder, sondern auch lustige Alm= und Wildschützenlieder, Schnadahüpf'l und G'stanzl gesungen; aber lauter un¬ schuldige' müssen es sein. Unsere Landsleute im Enns= und Steyrtal wissen, was sie an den altehrwürdigen Formen haben, die ihr ganzes Leben, Alltag und Festtag, bestimmen. In den Bräuchen der Rauhnächte aber lebt der jahrhundertealte Glaube und der reiche Schatz altheidnischer Über¬ lieferung, die uns als Erbe unserer germanischen Vorfahren heilig sind, im Sinn und Herzen unseres oberdonauischen Bergvolkes
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