Werkruf - Jahrgang 1 - Folge 1/2 - 1942

„Steyr“ im Osten Ein Bildbericht über zwei Jahre Aufbauarbeit Auf Vorposten Am 27. November 1939 rollte eine Wagenkolonne über die endlosen schnurgeraden polnischen Landstraßen nach Norden Jeder der fünf Kraftwagen trug an der Stirnwand das Steyr=Zeichen. Es war ein kleines Häuflein Steyr=Leute die auf Dorposten gerufen wurden, um die polnischen Waffen¬ abriken in Radom und Warschau zu übernehmen und zu leiten. Generaldirektor Dr. Meindl selbst führte und setzte sie in ihren neuen Wirkungskreis ein. Seitdem sind nun zwei Jahre vergangen, eine Seitspanne, die einen kleinen Überblick über die bisnun geleistete Arbeit rechtfertigt. Mit einer Ansprache des Generaldirektors an die versammelte polnische Belegschaft im Warschauer Werk, die mit mürrischen Gesichtern erklärte, daß sie aus nationalen Gründen für Deutschland keine Waffen schmieden wolle, begann die Aufbauarbeit. Wie schwer sie war, läßt sich kaum schildern. Wir wissen, daß es auch in der Heimat harte und schwere Arbeit zu leisten gibt. Hier im besetzten Gebiet, auf vorgeschobenem Dosten, war die Arbeit aber ein ununterbrochener Kampf gegen die widrigsten Verhältnisse und gegen unvorstellbare Schwierigkeiten. Mehr als ein halbes Jahr waren wir nur sechs Deutsche, die unter Leitung des vom Generaldirektor eingesetzten Betriebsführers mithalfen, den Wiederaufbau des Werkes rasch durchzuführen. Telefonverbindungen gab es weder im Werk noch zur Stadt. 7 km vom Stadtzentrum entfernt und abgeschnitten, erhielten wir nach vielen Tagen und energischen Vorstellungen eine Militärleitung gelegt. Die Aufgabe der Werkspost erforderte anfänglich beinahe einen ganzen Tag Seit, denn es gab noch keine ständigen Bahn¬ verbindungen und die Dost arbeitete nur im militärischen Auftrage und nur für Militärdienststellen. Die Bewachung durch einen bunt zusammengewürfelten polnischen Werk¬ schutz erschien uns mehr als zweifelhaft. Dazu kamen die Schwierigkeiten der Sprache, deren Un¬ kenntnis zu den verschiedensten Mißverständnissen führte, ehe eine kleine, selbstverständliche Anordnung durchgeführt werden konnte. Ein heiteres Beispiel: um zu amtieren, be¬ nötigt man sogar in einer kommissarischen Betriebsführung manchmal einen Stuhl. Da es an dieser notwendigen Unter¬ lage anfangs ebenso wie an manchem anderen mangelte, erhielt Pan Kusmierek, das alte Dienerfakrotum den Auf¬ trag, einen Stuhl herbeizuschaffen. Nach geraumer Zeit schleppten vier Mann im Schweiße ihres Angesichtes einen schweren Tisch heran. Auf den neuerlichen Auftrag, der nun in ziemlich energischem Tone erteilt wurde, brachte man einen zweiten Tisch. Des Rätsels Lösung: Tisch heißt polnisch stöl, gesprochen stul. Es wat manchmal zum verzweifeln. Aber 6 Mann von „Steyr“ auf Dorposten gestellt, kennen kein „Unmöglich“. Die werden auch mit der polnischen Wirt¬ schaft fertig! Wir bauen auf Bei Übernahme des Werkes am 1. Dezember 1939 war weder ein ausgerichteter Erzeugungsplan vorhänden, noch konnte das Aufbauprogramm genau festgelegt werden. Es mußte vielmehr auf die vorhandenen Verhältnisse, die frühere polnische Fertigung, welche keineswegs eine laufende Serienproduktion war, Rücksicht genommen und aus den vorhandenen Möglichkeiten ein diesem am besten gerecht werdendes Erzeugungsprogramm gesucht werden. Was bei der Durchführung dieses Aufbauprogrammes an außergewöhnlichen Arbeiten geleistet werden mußte und deshalb besonders eigentümlich und interessant ist. soll in Wort und Bild geschildert werden. Dazu ist es notwendig, einen kurzen Überblick über die Entstehungsgeschichte des Werkes zu geben. Blick auf das Werk Radom Werkfotos

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