Werkruf - Jahrgang 2 - Folge 7/8 - 1939

Die Betriebs-Volksbildungsstätte Steur-Werke eröffnet. Das kulturelle Leben eines Dolkes wird stets durch den schaffenden Menschen in seiner Gesamtheit be¬ stimmt. Dieser Erkenntnis zum Durchbruch zu verhelfen, ist für Steyr, der Stadt, in der die werktätig Schaffenden den weitaus größten Bevölkerungsanteil stellen, gerade in der heutigen Seit, die — wie jede Kriegszeit — eine gesteigerte materielle Genußbereitschaft in sich birgt, eines der wichtigsten Probleme. Von seiner Lösung hängt letzten Endes ab, ob den für die Wehrhaftigkeit der Heimat Schaffenden auch jene Wehrbereitschaft des Geistes beseelt, welche die Heimat eben zum Rückgrat der kämpfenden Truppe macht, oder ob er jenen Ver¬ gnügungen verfällt, die ihn körperlich schwächen, geistig lähmen und die schließlich seine Widerstandskraft brechen. Don diesem Gesichtspunkte aus betrachtet, verdienen alle Bestrebungen, das deutsche Kulturgut in der alten Eisenstadt Steyr zu verteidigen, indem es dem Schaffen¬ den so nahe gebracht wird, daß er es als sein ureigenes und höchstes Gut erkennt, volle Würdigung und Förderung. Voran ist es die von der Us=Gemeinschaft „Kraf“ durch Freude“ der Deutschen Arbeitsfront unseres Werkes Steyr ins Leben gerufene „Betriebsvolksbildungs¬ stätte Steyr=Werke“ die in dieser Hinsicht unsere beson¬ dere Beachtung verdient. Mit ihr geht ein lang gehegter Wunsch des Betriebsführers und der Gefolg¬ schaft in Erfüllung. Eröffnet wurde unsere Betriebs=Dolksbildungsstätte Steyr=Werke am 30. Oktober in einer eindrucksvollen Feierstunde, die mit dem kanonartigen, von unserem neuen Werks=Chor gut vorgetragenen Lied „Das Werk ist aus“ eingeleitet wurde. Der Betriebsobmann Dg. Rauter begrüßte den Kreisleiter der NsDap.pg.Mordwek, dessen Stellvertreter Kreisamtsleiter Dg. Peintner, den Oberbür¬ germeister Dg.Ransmayr, den Dichter Dg.Wohlgemuth u. die zahlreich erschienenen Arbeitskameraden. Im Namen des dienstlich abwesenden Betriebsführers dankte Be¬ triebsführerstellvertreter Direktor Ing. Dg. Rausch unserem Betriebsobmann für die Schaffung dieser Stätte, deren Bedeutung er in einer Ansprache würdigte. „Jede neue, von der kämpfenden Front an uns gestellte An¬ forderung bewältigen zu können, ist unsere Dflicht. Die körperliche Kraft hiezu gibt uns der Betriebssport, die geistige Kraft aber schöpfen wir aus dem Kulturgut unseres deutschen Dolkes. Dieses Kulturgut zu vertei¬ digen, es in dem Kampfe, in dem es nicht nur um politische Ziele oder um militärische geht, in dem viel¬ mehr unsere geistige Freiheit bedroht ist, zu schützen, ist der tiefere Sinn des Dolksbildungswerkes, das die Deutsche Arbeitsfront in unserem Werk Steyr durch die neueröffnete Betriebs=Volksbildungsstätte durchführt. Gleich unserem Betriebsführer Generaldirektor Dr. Georg Meindl erwarte ich, daß unsere Arbeitskameraden sich für die Arbeit der Betriebs=Dolksbildungsstätte interessieren und durch rege Teilnahme dem Leiter des Werkes und seinen Mitarbeitern ihren Dank abstatten.“ Zum Arbeitsplan der Volksbildungsstätte sprechend, führte Betriebsobmann Dg. Rauter aus: „Es gibt kein dankbareres Gebiet als das Dolksbildungswerk mit seinen mannigfachen Aufgaben. Die Betriebs=Dolks¬ bildungsstätte ist allen Gefolgschaftsmitgliedern offen, sie bietet jedem, ob Mann oder Frau geistige Anregung, die Möglichkeit seine Fähigkeiten auszubilden, sein Wissen zu erweitern und seinen künstlerischen Neigun¬ gen zu leben.“ Er sprach dem Rd§.=Betriebswart Pg. Wingert und dem Volksbildungswart des Werkes Steyr Dg. Czerny den Dank aus für die von ihnen gelei¬ stete wertvolle Mitarbeit und rief die Arbeitskameraden zu reger Teilnahme auf. Mit freudigem Beifall wurde seine Mitteilung zur Renntnis genommen, daß es durch eine großzügige Zuwendung des Betriebsführers möglich gewesen ist, die Bibliothek der Betriebs=Dolksbildungsstätte durch grundlegende Werke des Nationalsozialismus zu ergänzen und auf einen Stand von 2400 Bücher zu bringen. Künstlerische Diolinvorträge des Kameraden Kapellmeisters Münzberg, den Kamerad Steinmaßl am Flügel begleitete, leiteten zur Dorlesung des Berg¬ mannes und Dichters Otto Wohlgemuth über. Der Dichter entbot der Gefolgschaft der Steyr=Werke zuerst einen starken und nachdrücklichen Gruß der Bergleute aus seiner Heimat Westfalen, von der er uns dann eine prächtige Schilderung gab. Er erzählte uns von der Kohle, dem schwarzen Golde Deutschlands und führte uns damit ein in eine Welt voll unendlicher Schwermut und des täglichen Kampfes des Menschen mit den dämonischen Gewalten der Tiefe. Otto Wohlgemuth, der seinen Dortrag mit den Worten ein¬ leitete: „Ich bin ein westfälischer Bergmann und deut¬ scher Dichter“, arbeitete 25 Jahre mit den Bergleuten, die in den Kohlenzechen des Ruhrgebietes für Deutsch¬ land Kohlenversorgung schaffen. 800.000 Bergleute setzen im Reich ihre ganze Kraft, ihre Gesundheit und oft auch ihr Leben ein, um den „Nibelungenhort“ wie Otto Wohlgemuth den wertvollen Rohstoff Kohle treffend nennt zu heben. Ob in Drosa oder in Dersen, immer fesselt uns der Dichter, rüttelt uns auf, greift uns ans Herz; Otto Wohlgemuths dichterisches Schaffen ist ein einzigartiges Heldenepos vom deutschen Bergmann. Sei es in seinem Buche „Dolk, ich breche deine Kohle“, Erzählungen eines deutschen Bergmannes (unge Generation-Verlag, Berlin), sei es in seinem, im Ludwig Doggenreiter=Verlag erschienenen Bande: Gedichte eines Bergmannes, betitelt: „Aus der Tiefe“. Die Ergriffenheit des Dichters, seine Eindringlich¬ keit in der Darstellung des Abschiedes des Häuers Wilm Pasberg vom Leben und von den getreuen Arbeitskameraden, die das Unmögliche versuchen, um ihn aus der Umklammerung des tückischen Berges doch noch zu retten, erschütterten auch uns. So lebenswahr und lebensecht, mit solch realistischer Härte vermag nur der zu gestalten, der nicht nur miterlebt, sondern mitgefühlt und auch mitgelitten hat. Tiefer Lebensernst und eine um die höchsten Güter, Blut und Boden, und die letzten Dinge wissende Wehmut sprachen zu uns aus den Gedichten: „Die Ruhr“ und „Liebste am Abend“ mit dem ahnungsvollen Ausklang .. heiraten wir bald, wir Bergleute werden nicht alt. Aber selbst im Tode noch steht über allem: Deutsch¬ land. So im „Lied der deutschen Bergleute“ .. was schiert uns der Tod, wenn nur Deutschland lebt, wenn die Flamme nur loht! Dom tiefen Eindruck des unvergeßlichen Erlebnisses dieser Dichtervorlesung erschüttert, dankten unsere Arbeitskameraden Otto Wohlgemuth, der mit seinem Gedicht „Die deutschen Bergleute dem Führer“ auch seinen Beitrag zu jenem Band Gedichte beisteuerte, den 30 deutsche Dichter unserem Führer zum 50. Ge¬ burtstag als Geschenk überreichten und der uns die Berg= und Hüttenleute von der Ruhr so nahe gebracht hatte, mit herzlichem Beifall. Do. 11

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