Vorwärts Nr. 3, 33. Jahrgang, September 2000

Mehr Pfeffer in den Arsch Redebeitrag von KPD-Funktionär Helmuth Fellner, GLB-Arbeiterkammerrat in Wien, bei der konstituierenden AK-Vollversammlung im Juni 2000 D er Wechsel hin zur derzeitigen asozia len Regierungskoalition von Rechten und Rechtsradikalen gab auch Anlass zur Hoffnung. Ich möchte nicht missverstanden werden, aber tausende, ja hunderttausende Arbeitnehmer kamen auf die Straße, um gegen rechtes Denken und noch rechteres Handeln zu demonstrieren und zu protestieren. Als d ie ersten Maßnahmen der Asozialkoalition gesetzt, die Pensionsgegenreform beschlossen, die Umvertei lungsmaßnahmen von unten nach oben sichtbar wurden, hagelte es Ankündi gungen von Gewerkschaftsund Arbeiterkammerseite: ,.Mit uns nicht!" und „Totaler Widerstand!" Der ÖGB werde sich nicht scheuen, auch zum „allerletzten und äußersten" (warum wird dies eigentlich so benannt?) Mittel , zum Streik, zu greifen. Diese Regierung will keine Verhandlungen mit der Arbeitnehmerseite, also muss man sie dazu zwingen, mit allen zu Gebote stehenden demokratischen Mitteln. Der gestrige Aktionstag war gut, richtig und wichtig. Er kann aber nur ein Anfang gewesen sein. Denn die Maßnahmen wurden allzusehr „mit Augenmaß" gesetzt. Da feixte der ORF, der den rechten Umverteilern jetzt in den Arsch kriecht, im Abendjou rnal, dass der Normalbürger (wer ist das ei - gentlich?) vom Protesttag eigentlich so gut wie nichts merkte. Ja, dann müssen wir sie eben kräftig etwas merken lassen. Das in anderen Ländern bewährte Mittel der Urabstimmung über Forderungen und entsprechende Kampfmaßnahmen muss endlich auch hierzulande zur Mobilisierung der Arbeitnehmer für ihre ureigensten, in den Staub getretenen Interessen eingesetzt werden. D iese Regierung gehört auf der ganzen Linie bekämpft, weil sie dieArbeitnehmer betrügt und begaunert, und das Geld, das sie ihnen rauben will, den G'stopften, also ihresgleichen, zuschaufeln will. Q elbst dem guten alten Nestroy wäre eJ so eine Realsatire von Regierung nicht eingefallen: Angeführt vom König der Gartenzwerge, dem „kleinen Wolfi" , assistie rt von der Gatt in eines Konkursianers erster Güte, eine chronisch dümmliche Schlossbesitzerin als Sozialministerin, ein Pharmamillionär a ls Arbeitsminister, Ha iders und Stronachs Ex-Liebling als Säckelwart usw. Und manche der hier Sitzenden werden sich wohl als deren Handlanger in der Vertretung der Arbeitnehmer betätigen. Da sitzt zum Beispiel ein Herr Tancsits 1 (das Wort Kollege kommt mir im Zusammenhang mit ihm wirklich nicht über die Lippen), der will offensichtlich noch mit einem 65 Jahre alten Piloten fliegen und womög lich nach dem Absturz von einem 75-jährigen Chirurgen behandelt werden. Einen Herrn Tancsits zum ArbeitnehmeNertreter zu machen, ist das gleiche, als würde man den niederösterreichischen Landeshauptmann Pröll als Professor für vergleichende Literaturwissenschaft an die Universität berufen. Wir, die Arbe iterkammer räte von Wien , haben nur eine einzige (durchaus schwierige) Aufgabe: die Interessen der Arbeitnehmer zu vertreten. Wer dazu nicht gewillt ist, der soll seinen Platz räumen. In diesem Sinne fordere ich Sie auf, Herr Tancsits, treten Sie zurück! D ass die derzeitigen Machthaber ihre Machtprobe mit den Gewerkschaften an den Eisenbahnern festmachen wollen, ist wohlkalkulierte Politik des „Divide et impera!" Eine entsolidarisierte kann darauf hereinfallen und die Rechte anderer Kollegen als Privilegien betrachten, wenn man nicht gegensteuert und die wahren Privilegien aufzeigt , die der Aktionäre, die des Finanzkapitals und seiner Handlanger, die der Herrschenden und Politiker. - 6 - Das siebentreichste Land der Erde soll sich seine Pensionisten nicht mehr leisten können. Krankheit soll bestraft werden? Soziale Maßnahmen sollen nicht mehr finanzierbar sein? Ich bin aber der Meinung: Geld läge buchstäblich auf der Straße und wäre durchaus zu holen . Durch Eintreibung der -zig Mill iarden Steuerschulden der Kapitalisten , durch Eintreibung der Milliarden an ausständigen Sozialversicherungsbeiträgen der Unternehmer, durch den Verzicht auf Abfangjäger und ähnliche Aufrüstungsmaßnahmen für das in rechter Hand befindliche Bundesheer und dessen NATO-Kriegstauglichkeit. Die Kohle wäre auch durch Gewinnsteuern, durch eine soziale Steuerreform zu Lasten der wirklich Reichen zu holen. Packen wir's an . Wenn man durch Beschwichtigungen viele Kampfbereite demotiviert , wird dieser auch immer schwieriger zu führen sein. Wann , wenn nicht in der jetzigen Situation , soll denn gekämpft und gestreikt werden? Wenn wir jetzt nicht aufwachen, wird unser Schlaf vielleicht zum Dornröschenschlaf werden, nur wird uns kein Prinz wachküssen. Kolleginnen und Kollegen, packen wir 's an. Widerstand gegen die rechten asozialen Umverteiler! In diesem Sinne möchte ich nicht mit einem Zitat von Karl Marx, sondern mit einem aus „My Fair Lady" schließen: Ich wünsche uns mehr Pfeffer imArsch. 1 Kammerrat des ÖAAB Wien, der auch im Wiener Gemeinderat sitzt und sich in einem Brief an die zuständige Fachgruppe in der GPA für eine - international verbotene - Weiterbeschäftigung des Flugpersonals über das 60. Lebensjahr hinaus aussprach. Impressum: Medieninhaber (Verleger). Hersteller: KPÖ Steyr, Johannesgasse 16, 4400 Steyr, Tel. 07252/53179. Redaktion: Siegfried Vratny, Verlags- und Herstellungsort:

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