~!)@ Die Inquisitoren hatten Hochkoniunktur Waldenser lebend verbrannt D ie Machthaber verfolgten immer schon Andersdenkende, wenn diese eine scheinbare oder tatsächliche Bedrohung der herrschenden Zustände darstellen . Im 16. und 17. Jahrhundert, fast hundert Jahre lang , war Österreich protestantisch und Steyr eine Hochburg des Protestantismus. D er österreichische Protestantismus beginnt keineswegs mit dem Auftreten Martin Luthers. Schon lange vorher gab es re ligiöse Strömungen, von den Katholiken als Ketzer abgeurteilt und von den Protestanten als deren Vorläufer glorifiziert, die eine breite Verankerung in der Bevölkerung fanden . E ine wichtige Strömung waren die Waldenser, die auf den Lyoner Kaufmann Waldes zurückgehen und 1184 aus der katholischen Ki rche ausgeschlossen worden waren . Trotz vielfältiger Verfolgung tauchte diese Lehre bis weit ins 15. Jahrhundert immer wieder auf. D as Waldensertum strebte ein reines Christentum an, das auf die Bibel als einzige relevante Instanz rekurrierte und daher auch den Laien die Fähigkeit zusprach, die Bibel auslegen zu können. Damit forderte es die offizielle Kirche heraus, deren Strukturen auf dem Priesteramt aufgebaut ist. Das Monopol der Priester zu predigen, also die Bibel auszulegen, stellten sie ebenso in Frage wie das Monopol der Männer auf das Priesteramt. Der staatl ichen Autorität waren sie suspekt, weil sie den Mil itärdienst ablehnten, den Eidschwur bekämpften und gegen die Todesstrafe auftraten. G roße Teile Oberösterreichs dürften sich im 13. Jahrhundert mehrheitlich dem Waldenserturn zugewandt haben. Steyr war ein Zentrum der Waldenser. Vor allem die Handwerker waren den neuen Lehren zugetan. In regelmäßigen Abständen erschienen Inquisitoren. Zumeist wurden die des Irrglaubens Überführten zu öffentlicher Umkehr gezwungenen und mußten Bußkreuze tragen. Blieben sie hartnäckig, wurden sie zum Tode auf dem Scheiterhaufen verurteilt. Um 1397 stehen in Steyr 1.000 Verdächtige vor dem lnqui sitionsgericht und es geschah das Unvorste llbare: mehr als 100 Frauen und Männer, die ihren Glauben von den Großeltern herleiten konnten, wurden im Kraxental in Garsten bei 1997 wurde in Steyr am Prof. Jörg Reitterplatz das Waldenserdenkmal errichtet, gestiftet von lrmgard und Hannes Braunsberger. Die vom Steyrer Bildhauer Mag . Gerald Brandstötter gestaltete Rundplastik stellt die Verbrennung der Waldenser dar; eine Frauen-Figur symbolisiert Versöhnung und Toleranz. Steyr lebend auf dem Scheiterhaufen verbrannt. In SteyrPyrach heißt heute noch eine Flur "Ketzerfriedhof", denn die Ermordeten durften nicht in geweihter Erde begraben werden, ihre Asche wurde entweder in den Fluß oder Wind gestreut. D ie Gründe der Verurteilung zum Flammentod können aus heutiger Sicht nur Kopfschütteln hervorrufen. Die sogenannten Ketzer hatten einige Sakramente abgelehnt, weil sie in der Bibel nicht erwähnt werden , weigerten sich, an das Fegefeuer - eine zeitgenössische Erfindung - zu glauben, hielten Fürbitten für Verstorbene für überflüssig, und sie verwarfen die Ordnung der kirchlichen Hierarchie und deren materielle Basis, wie Anhäufung von Reichtum, Schätzen und Grundbesitz, und wollten das Dogma der Jungfräulichkeit Ma.riens nicht anerkennen . D er berüchtigte "Ketzerjäger" Pe trus Zwicker, Inquisitor in den - 6 - Jahren 1395 und 1398, verhängte nicht nur Todesstrafen, sondern auch demütigende Bußen: Die wegen Häresie verurteilte 60jährige Witwe Els Feur aus Dambach muß für den Rest ihres Lebens auf der Vorder- und Rückseite ihres Kleides das blaue Bußkreuz tragen. Weiters hat sie an sieben aufeinanderfolgenden Sonntagen um die Kirche von Garsten zu gehen, wobei sie der Priester mit Ruten schlägt. Danach muß sie sich auf die Kirchenschwelle legen , damit sie von den Kirchgängern getreten werden kann, bis der Pfarrer das Zeichen zum Aufstehen gibt. D ie radikale Verfolgung hat die österreichischen Abtrünn igen, besonders die Waldenser, am Lebensnerv getroffen. Im 15. Jahrhundert klingt die Jagd auf sie aus, 1411 scheint inWien die letzte Verurtei lte auf dem Scheiterhaufen ums Leben gekommen sein.
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