Vorwärts Nr. 2, 31. Jahrgang, Juni 1998

~,1n~nw Gedenken an die Befreiung des KZ-Steyr Am 5. Mai 1945 befreiten mutige KZ-Häftlinge, darunter der deutsche Funktionär der KPD Nik Riedmüller das KZ-Lager Steyr und übergaben es zur Mittagszeit den anrückenden US-Soldaten. Mit einer eindrucksvollen Gedenkfeier beim Mahnmal an der Haagerstraße wurde am 11. Mai der 53. Jahrestag der Befreiung der überlebenden KZ-Häftlinge begangen . MitAnsprachen und Kranzniederlegungen haben eine französische Abordnung und Steyrerlnnen der Befreiung gedacht. An der Gedenkveranstaltung, die vom Komitee „Mauthausen aktiv" Steyr organisiert war, nahmen Überlebende des Holocaust und deren Angehörige teil, sowie Vertreter der demokratischen Parteien der Stadt Steyr. An der Spitze Bürgermeister Hermann Leithenmayr und der polnische Botschaftsrat Matenz Kujawa. Jean Guerbette sprich t für die französische Lagergemeinschaft Bürgermeister Hermann Leithenmayr Aus seiner Rede: ... auch der Gemeinderat der Stadt Steyr fühlt sich diesem Gedenktag verpflichtet , und ich habe daher in der Gemeinderatssitzung am 7. Mai eine öffentliche Erklärung abgegeben, bei der ich die Bedeutung und den Stellenwert dieses Gedenktages unterstrichen habe. Und ich habe in dieser Erklärung festgestellt, daß ich diesen österreichisehen Gedenktag unter anderem deshalb für so wichtig und wertvoll erachPolnischer Botschaftsrat Matenz Kujawa te, weil damit öffentlich eine Geisteshaltung in unserem Land dokumentiert wird , die von Humanität und Miteinander geprägt ist, von Verständigung und Verständnis, von Toleranz und friedlicher Koexistenz. Und weil damit gleichzeitig auch dokumentiert wird, was diese Gesinnung absolut ausschließt: nämlich Gewalt und Rassismus, Haß und Intoleranz, Ignoranz und Gleichgültigkeit. Der österreichische Gedenktag, aber natürlich auch die heutige und alle übrigen derartigen Kundgebungen sind ein Symbol dafür, daß die schrecklichen Geschehnisse in Mauthausen und den anderen Massenvernichtungslagern des Hitler-Regimes niemals ad acta gelegt werden , sondern, daß die Erinnerung an dieses unsagbare Leid , das Menschen damals zugefügt wurde, wachgehalten wird , daß diese Verbrechen gegen die Menschlichkeit niemals vergessen werden. Gleichzeitig und nicht zuletzt besitzen alle diese Kundgebungen aber auch einen hohen Appell-Charakter. Wird doch damit auch immer wieder die gesellschaftliche Verantwortung eingemahnt, wachsam zu sein gegenüber den Strömungen, die faschistisches Gedankengut leider bereits auch heute wieder transportieren. Und dieser Verantwortung, meine Damen und Herren, können wir nur dann wirklich gerecht werden, wenn wir engagiert und entschlossen gegen jede - 2 - Form von Antisemitismus und Fremdenhaß auftreten; wenn wir uns mutig und entschlossen jedem entgegenstellen, der - wo und wie auch immer - versucht, die Gleichheit und die Würde der Menschen in Frage zu stellen. Wir müssen - und diese Aufgabe ist nicht delegierbar - allen jenen rechtzeitig in denArm fallen, die Angste und Verunsicherungen zu Haß aufputschen, in dem sie „Schuldige" liefern. Wir müssen jenen die Aktionsbasis entziehen, die für alles und jedes sofort diese „einfachen" Lösungen parat haben, wobei sich diese „einfachen Lösungen" darin gleichen, daß dem anderen die Schuld am eigenen Schicksal gegeben wird, daß negative Entwicklungen projiziert, einfach jemand anderem angelastet werden . Aber noch ein ganz wesentliches Ziel, verehrte Anwesende, sollten wir uns gerade anläßlich der heutigen Kundgebung wieder deutlich bewußt machen: Daß es nämlich dringend notwendig ist, auch gegen die Kultur der Gleichgültigkeit anzukämpfen , weil sie eine nicht zu unterschätzende Gefahr für die Demokratie und somit für die Freiheit und den Rechtsstaat darstellt. Wir müssen daher danach trachten, daß Toleranz und Verständnis nicht mißverstanden und zur Entschuldigung für Gleichgültigkeit und Apathie werden. Gefragt und gefordert sind vielmehr Mut und Engagement, Offenheit und Toleranz - kurzum: ein geistiges Klima, in dem menschenverachtende Ideologien, wie sie Nationalsozialismus und Faschismus darstellen, keinen Nährboden finden; wo Haß, Gewalt und Krieg als verabscheuungs- und menschenunwürdig gebrandmarkt, bekämpft und im Keim erstickt werden . Zu diesem geistigen Klima aktiv beizutragen , es zu bewahren und immer wieder neu zu schaffen - das ist die Aufgabe der Politik. Und in diesem Sinne ist der Kampf gegen Gewalt und Rassismus, gegen Faschismus, Nationalsozialismus sowie jede wie immer geartete totalitäre Ideologie auch ein Auftrag, der niemals endgültig erledigt werden kann, sondern der mit Mut und Entschlossenheit von uns allen dauerhaft zu erfüllen ist.

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