Schadensbegrenzung zu versuchen . Dazu eine interessante Feststellung Twerasers: ,,Was die amerikanischen Besatzungsbehörden in Wien besonders alarmierte, war die Tatsache , daß die Sozialisten, als ihre verläßlichsten Mitstreiter im Kalten Krieg, sich unmißverständlich gegen den lschler Prozeß gewandt und ihn als klare Verletzung der rechtlichen Souveränität Österreichs verurteilt hatten". (S. 282) Der Staatsanwalt des Militärgerichts blieb jedoch verbohrt: ,,Der Fall war der Vorläufer der sich verhärteten Haltung der amerikanischen und österreichischen Behörden gegen den Kommunismus in Österreich". Der Milchprozeß war jedoch beileibe nicht der einzige Willkürakt der US-Militärbehörden. Dazu zwei Fälle, die in dem Buch nicht aufscheinen. Im Jahre 1947 im Oktober, kurze Zeit nach dem Milchprozeß , wurde der KPÖ-Landessekretär Sepp Bloderer, der 1944 aus der Todeszelle in München-Stadel heim ausbrechen konnte , und der Friseur Haselberger verhaftet, weil in dem Fri - seurgeschäft „Sprengstoff" gefunden wurde: Eine Bierflasche mit Schwarzpulver. Die Haft Bloderers dauerte elf Tage, dann wurde er entlassen , weil ,,oben" doch jemand zur Einsicht gekommen sein dürfte, daß die Provokation gar zu plump sei , um sie zu einer Affäre aufzublasen. Etwa zur selben Zeit wurde in das Linzer Lokal der „Freien Österreichischen Jugend" eingebrochen und eine Kartei entwendet, die dann zur Bespitzelung verwendet wurde. Schon im Mai 1946 wurde der KPÖ-Landesobmann Franz Haider, der auch Herausgeber des Parteiorgans „Neue Zeit" war, von einem US-Militärgericht zu zwei Monaten Gefängnis verurteilt. Die „Neue Zeit" soll einen amerikanischen Offizier angeblich ,,falsch zitiert" haben . Helmer: Gewehrkolben und Baionette Die Kommunistenjagd ging weiter. Über die Tätigkeit amerikanischer und österreichischer Sicherheitsbehörden schreibt Tweraser. ,,Von Mitte 1946 an stand die Kommunistische Partei Österreichs im Brennpunkt sicherheitspolitischer Interessen. Der Kalte Krieg führte innenpolitisch zur Notwendigkeit, die Mitglieder der Kommunistischen Partei schärfstens zu überwachen". Gendarmerie und Polizei waren in die amerikanischen Aktivitäten gegen die KPÖ fest eingebunden und arbeiteten mit der Besatzungsmacht auf das engste zusammen . Von der LandesSicherheitsdirektion wurden die Gendarmerieposten angewiesen, ,,allfällige kommunistische Aktivitäten genauest zu beobachten". Zwei Organisationen soll - ten besonders sorgfältig überwacht werden : ,,die Freie Österreichische Jugend und der Verband ehemals verfolgter Antifaschisten". (S. 393) Aufschlußreich ist auch eine Anordnung des SPÖ-Innenministers Helmer während des Oktoberstreiks 1950 an den Gendarmerieoberst Mayr: ,,Er (Helmer) verbot der Exekutive in Linz, die Besatzungsmacht um Hilfe anzurufen (bei der oberösterreichischen Landesregierung hatte es solche Absichten gegeben - F.K.), er behielt es sich selbst vor. Auch riet er den Gebrauch von Schußwaffen zu vermeiden, wohl aber Gewehrkolben und Bajonette anzuwenden" (S . 296) . Um die Aktivitäten der KPÖ zu „erfassen", rekrutierte der CIC, wohl auch hier in enger Zusammenarbeit mit den österreichischen Behörden, ein ganzes Heer von Spitzeln. Die Schnüffler waren natürlich bestrebt, ihren Brötchengebern „günstige Zahlen" zu liefern, wobei sie zu groben Fälschungen griffen . Dies zeigt sich etwa bei der Erkundung der angeblichen Stärke der KPÖ-Organisationen . Hier wurden in vielen Gemeinden die Stimmen für die KPÖ bei der Nationalratswahl vom November 1945 kühn als Mitgliederzahlen ausgegeben. Eine schändliche Liste Eines der schändlichsten Kapitel der Kommunistenverfolgung durch ameri - kanische und österreichische Behörden war die Erstellung von Listen mit den Namen von Pmsonen , die im Falle von ,,Unruhen", was immer darunter zu verstehen gewesen wäre, sofort verhaftet werdend sollten . Dazu Tweraser wörtlich: ,,Insgesamt befanden sich auf dieser Liste die Namen von 208 Personen , geordnet nach Bezirken. Braunau 11, Gmunden 53, Grieskirchen 6, Kirchdorf 11 , Linz-Land 44, Ried 6, Schärding 8, Steyr 25 , Urfahr 3, Vöcklabruck 21, Wels 20. Im Ernstfalle wären die Verhaftungen durch die österreichische Polizei und Gendarmerie über Auftrag der CIC durchgeführt worden". (S. 397) Im Interesse einer wirklichen Bereinigung von zeitgeschichtlichen Ungeheuerlichkeiten ist zu fordern, daß nicht nur - 7 - die Zahl , sondern auch die Namen der Betroffenen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Eine historische Fundgrube Das Buch von Tweraser ist eine historische Fundgrube besonderer Art . Hier wird zum erstenmal , vorwiegend gestützt auf amerikanische Akten , überzeugend dokumentiert, daß die Tätigkeit der amerikanischen Besatzung in Oberösterreich die längste Zeit nicht der Überwindung des Hitlerfaschismus galt, sondern der Verfolgung der Kommuni - sten und Widerstandskämpfer. Es wird in dem Buch aber auch kein Hehl daraus gemacht , daß bei allen Aktivitäten des CIC und anderer Zweige der Besatzung die österreichischen Behörden , Polizei und Gendarmerie, eifrig zugearbeitet haben. Freilich zeigt sich bei dem erfreulich flüssig geschriebenen Werk auch , daß der Verfasser von ausgesprochen bürgerlichen Positionen ausgeht. Er vermeidet zwar, etwa die plumpe Putschlüge über den Streik von 1950 zu wiederholen , hat aber auch Stellen , die gelinde ausgedrückt, recht blauäugig anmuten. So etwa, wenn er der KPÖ vorwirft : „überall ermutigten kommunistische Funktionäre die Frauen, niedrigere Preise, höhere Löhne, bessere Versorgung mit Lebensmitteln usw. zu fordern". (S. 276) Hier fällt einem unwillkürlich der Habsburger-Spruch ein: ja derfen 's denn das!? Widersprochen muß auch der Meinung werden , das unmittelbare Ziel der „Sowjets" sei es gewesen, der „kommunistischen Propaganda Tür und Tor zu öffnen". Wahr ist vielmehr, daß die „Sowjets" ihre eigenen Ziele verfolgten , die mit „kommunistischer Propaganda" vielfach durchaus nicht übereinstimmten. Solche Einwände sollen den Wert dieser aufschlußreichen Publikation kei - neswegs herabsetzen. Sie ist ein wichtiger Schritt für eine Geschichtsbetrachtung , die nicht den Ungeist der Kalten Krieger von damals und heute atmet. Eine Fortsetzung dieser Arbeit wäre dringend geboten, denn man kann mit Sicherheit annehmen, daß die amerikanischen Archive noch manche höchst anrüchige „Schätze" bergen. Kurt Tweraser, ,,US-Militärregierung Oberösterreich", BD.1, Oberösterreichischer Landesverlag, Linz 1995, 448 Seiten
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