Franz Kain Tweraser weist in der Behandlung der letzten Kriegsmonate nach, daß die amerikanischen Streitkräfte in keiner Weise auf die Aufgaben in einem befreiten Land vorbereitet waren , weil die rein militärischen Überlegungen alles andere in den Hintergrund drängten. Die Österreich-Fachleute trafen erst lan9.e nach den militärischen Akti onen in Osterreich ein. Dies führte zu einer Situation, die der Landesobmann der KPÖ, Franz Haider, damals mit dem treffenden Satz kennzeichnete: ,,Amerikaner, die etwas verstehen, haben keinen Einfluß.Amerikaner mit Einfluß verstehen nichts". Daher herrschte auf dem Gebiet der Entnazifizierung von Anfang an größte Konfusion: ein Zick-Zack von „Durchgreifen" und „Nachsicht". Die Organe der Militärregierung griffen oft daneben. So wurde der konservative Kommunalpolitiker Dr. Walk von Oktober 1945 bis Mai 1946 in Haft gesetzt. Sein „Vergehen" bestand darin, daß er im Jahre 1942 zum Oberregierungsrat befördert worden war. US-Zone war Schlußlicht In der amerikanischen Besatzungszone wurden zum Unterschied von der sowjetischen Zone, aber auch zu jenen der anderen Mächte, erst Monate nach der Befreiung Parteien und Gewerkschaften zugelassen . Aber nur bis Mai 1947 befaßten sich die US-Militärbehörden überhaupt mit Fragen der Entnazifizierung. Ab diesem Zeitpunkt und zunehmend schon 1946, so schreibt Tweraser, ,,konzentrierten sich die Energien der Geheimdienste \JI] HijJ !)@ Ober allem die Kommunisteniagd Aufschlußreiche Enthüllungen über das US-Militärregime in Oberösterreich Prof. Franz Kain, Schriftsteller Der aus Viechtwang (Oberösterreich) stammende und an der Universität von Arkansas (USA) tätig gewesene Historiker Kurt Tweraser (Jahrgang 1930) legt mit dem Buch „US-Militärregierung Oberösterreich" ein Werk vor, das viele Einzelheiten festhält, die bisher unbekannt oder nur halb bekannt waren. beinahe ausschließlich auf die Überwa- Empörende Urteile chung kommunistischer Aktivitäten". Die rein bürokratische Handhabung der Entnazifizierung führte dazu, daß die „Nazifrage" nie wirklich gelöst wurde, mit Folgen bis zum heutigen Tag . Die „Kleinen" wurden schikaniert, die „Großen" vielfach in Wirtschaft und Verwaltung integriert. Zu diesem Ergebnis trugen aber nicht nur die US-Behörden bei , sondern kräft ig und mit großer Zähigkeit auch die österreichischen Stel len . Bei den größeren Ämtern, den Mag istraten und Bezirkshauptmannschaften waren sogenannte Entnazifizierungs-Sektionen tätig, die eine „Reinigung" von faschistischem Ungeist zur Aufgabe hatten. Eine amerikanische Inspektion kam zum Ergebnis, daß beispielsweise in Linz „nicht mehr als 5-10% der Arbeitszeit von einem amerikanischen Zivilisten und sieben Österreichern der Überwachung der Entnazifizierung gewidmet sei" . ,,Negativer Höhepunkt" Im Zuge der „Überwachung kommunistischer Aktivitäten" kam es zu zahlrei - chen frappanten Verletzungen österreichischer Rechtsbegriffe und zu gangstermäßigen Streichen und Provokationen. Der Historiker Tweraser kommt bei der Bearbeitung dieser Materie zum Schluß: ,,Den negativen Höhepunkt amerikanischer Mi litärjustiz bildete der Bad !schier Mi lchprozeß (1947), bei dem weder die Anklage und schon garnicht die Urteile der österreichischen Rechtskultur entsprachen" . Bekanntlich ging es bei diesem Prozeß vor dem amerikanischen Mi litärgericht in Linz um die Anwendung der „Order 200", die sich vor allem gegen Anschläge und Aufruhr gegen die Besatzungsmächte richtete. - 6 - In Bad Ischl war es aus Empörung über eine rigurose Kürzung der Milchzuteilung zu einer stürmischen Demonstration vorwiegend von betroffenen Frauen gekommen. Das Gericht versuchte nun, einigen bei der Demonstration in Erscheinung getretenen Männern und Frauen einen „Aufruhr" anzuhängen und ihnen außerdem antisemitische Hetze zu unterstellen. Trotz der Haltlosigkeit der Anklage wurden drakonische Urteile gefällt. Der „Hauptangeklagte", der Jugendfunktionär Raimund Zimpernik (der 1942 vom NS-Volksgericht zu zehn Jahren Kerker verurteilt worden war), wurde zu fünfzehn(!) Jahren verurteilt, ein invalider ÖBBPensionist zu fünf Jahren und sogar die 69-jährige Frau Sams zu einem Jahr. Was die Beschuldigung des „Antisemitismus betrifft, so brachte es Minister Dr. Karl Altmann im Ministerrat auf den Punkt: wenn mann sich gegen den Schleichhandel jüdischer Lagerinsassen wende, so sei dies bei leibe kein Antisemitismus. Tweraser bezieht sich bei seinem Hinweis auf die Veröffentlichung der Wortprotokolle der Bundesregierung von 1945 bis 1952 von Robert Knight (1988). Der Willkürakt der Anklage geht schon daraus hervor, daß bei der Demonstrat ion und der Kundgebung vor dem !schier Rathaus sowie bei den anschließenden Verhandlungen Bezirkshauptmann Dr . Hodl, Bürgermeister Zeppezauer und Vizebürgerme ister Schröpfer mitwirkten. Die Gendarmerie sah keinen Anlaß zum Einschreiten. Gegen die Urteile erhob sich ein Proteststurm, der über Österreich hinausgriff. Die US-Behörden sahen sich daher genötigt, die Urteile drastisch herabzusetzen. Damit wurde dokumentiert, daß die US-Stellen bemüht waren, für einen schweren Feh ler wenigstens
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