Vorwärts Nr. 4, 29. Jahrgang, Oktober 1996

rnJIW/J!j@ Liebe Leserin, lieber Leser! Politiker hoffen offensichtlich auf ein Kurzzeitgedächtnis der Bevölkerung. Wäre ja auch kein Wunder, bei der Flut von Informationen, die täglich via Radio, Fernsehen, Zeitungen und auch schon per Internet auf uns losgelassen wird . Wir sollen offensichtlich andauernd beschäftigt werden, um nicht allzu viel über Vergangenes nachzudenken. Vergessen sollen wir gar vielerlei. FÜ r diese Herrschaften wäre es höchst peinlich, würde man nicht ihre netten Sommergespräche im ORF mit eigenem Video, auf unsere Kosten produzieren, als Maß der politischen Entscheidung am 13. Oktober nehmen, sondern was sie (sich) bisher geleistet haben. Zum Beispiel die langjährigen Privatisierungsforderungen und EU-Phorismen der ÖVP, die jetzt von der SPÖ Arbeitsplätze einfordert, die sie „dank" des Beitritts zur EU vernichtet hat und deren EU-Spitzenkandidat bereits laut über die Rückkehr zur Monarchie nachdenkt. Nachdenken sollen wir auch nicht über das Banker-Vorleben des sozialdemokratischen Bundeskanzlers, der uns, anstatt mit gesundem Menschenverstand mit dem Golfschläger regiert. Und schon gar nicht sollen unsere grauen Zellen aktiv werden, wenn er uns via EU-Werbespot wieder einmal Arbeitsplätze verspricht, wie vor den letzten Nationalratswahlen, vor der EUVolksabstimmung, wie ... Und schon gar nicht erinnern sollen wir uns daran, daß Jörg Haider es war, der zu einer Zeit, als sogar noch die SPÖ nicht so richtig vom Gang in die damalige EG überzeugt war, bereits einen Initiativantrag im Parlament einbrachte, Österreich möge den Beitritt zur EU forcieren. Erst kurz vor der Abstimmung, als er sich ausrechnete, daß er als Gegner ein schönes Protestwählerpotential herausholen könne, schwenkte er auf ein NEIN um. Dafür will er in die NATO, aber auch darüber sollen wir uns nicht den Kopf zerbre- . chen , sondern darum, wieviele Menschen mit ausländischem Namen im Gemeindebau wohnen. Auch im Fall der Grünen sollen wir unsere Gehirne nicht zu sehr strapazieren, denn der ökologische Traum wird uns, wenn es beispielsweise nach den Vorstellungen eines Van der Bellen geht, jene EU realisieren, für die stundenlange Tiertransporte und genmanipulierte Lebensmittel zwecks Profitmaximierung auf der Tagesordnung stehen. Über das Liberale Forum gibt es ohnehin nicht viel nachzudenken, denn erstens gibt es dieses noch nicht so lange (erst seit Haiders Ausländer - volksbegehren-Debakel), und zweitens hört man von ihm ohnehin nur vor den Wahlen. Ihre liberale Einstellung gilt vor allem dem liberalen Geldverkehr, der Liberalisierung der Gewerbeordnung, der Liberalisierung der EU, jedoch nicht der Liberalisierung des Liberalismus. Mag. Walter Baier KPÖ Spitzenkandidat 2 Ungusllase De1,lag0gle In einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin „profil" wurde Jörg Haider folgende Frage gestellt: ,,Haben Sie die Parole gegen das Europa der Konzerne von den Kommunisten abgekupfert?" Haiders Antwort: ,,Die Kommunisten sagen raus aus der EU und das sagen wir nicht." Die Aussage beweist einmal mehr, wie es der FPÖ-Führer mit der EU hält. Durch ihre vehemente EU-Kritik erweckt Haiders Truppe bei vielen Menschen immer noch den Eindruck, daß sie das ,,Europa der Konzerne" ablehnt. Gerade das Gegenteil ist der Fall. Übrigens ist die Haider-Position nicht neu. Die FPÖ präsentiert sich jahrzehntelang als die „Europapartei " schlechthin . Nehmen wir ein aktuelles Beispiel für die FPÖ-Demagogie her. Die FPÖ verlangte, lange bevor Bundespräsident Klestil die Diskussion neu anzündete, den Beitritt Österreichs zur NATO. Im Klartext heißt das: Die Haider-Partei ist für die endgültige Zertrümmerung der immerwährenden Neutralität und letztlich für die Stationierung von Atomwaffen in Österreich. Die Haider-Partei ist dafür, daß österreichische Soldaten zu NATO-Hilfssheriffs aufgebildet werden, um, wie es im Konzept der NATO-Neu heißt, ,,die militärische Leistungsfähigkeit des Bündnisses im sicherheitspolitischen Umfeld (!) Europas zu gewährleisten." Ob FPÖ-Führer Haider auch am Schwechater Flughafen ganz vorne steht, wenn gefallene österreichische Soldaten im rot-weiß-rot gehüllten Zinksarg eingeflogen werden? Die NATO-Beitrittsforderungen haben auch einen weiteren innenpolitischen Aspekt. Jörg Haider, selbsternannter ,,Robin Hood" der kleinen Leute, kritisiert die Auswirkungen der Belastungspakete. Gleichzeitig aber ist er für die NATO-kompatible Aufrüstung des Bundesheeres, die wahrscheinlich 100 Milliarden Schilling kostetl Dazu sind weitere Belastungspakete notwendig, die zum Verschnüren schon eine Leiter erfordern. Diese ungustiöse FPÖ-Demagogie war mit ein Grund, warum die KPÖ, gemeinsam mit linken Sozialistinnen und Sozialisten, der „Sozialistischen Offensive Vorwärts" , bei der Europawahl am 13. Oktober kandidiert. Der Wahlkampf ist eine gute Gelegenheit, der FPODemagogie eine fundierte Kritik am „Europa der Konzerne" entgegenzusetzen. Siegfried Vratny Impressum: Medieninhaber (Verleger) , Hersteller: KPÖ Steyr, Johannesgasse 16, 4400 Steyr,Tel. 07252/53179. Redaktion: Siegfried Vratny, Verlags - und Herstellungsort: Steyr.

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