Vorwärts Nr. 3, 28. Jahrgang, August 1995

Viele Versprechen und eine brutale Wirklichkeit Die ReJierung hat das Blaue vom Himmel gelogen ... Erinnern wir uns, was die Beitrittslobby von Regierung, Industrie, Kammern und Medien vor der EU-Volksabstimmung am 12. Juni 1994 versprochen hat. Mit diesen Lockungen und gleichzeitig handfesten politischen und wirtschaftlichen Drohungen wurde die 54,3-Prozent-Zustimmung erpreßt. So gründlich, daß sich viele heute nicht mehr erinnern wollen, daß auch sie mit "Ja" gestimmt haben. Das Erwachen kam nach dem Beitritt am 1. Jänner 1995. Hier eine Gegenüberstellung: ,, Preise sinken Gesunken sind nur die Preise für einige Lebensmittel, aber vom Schlagobers kann man nicht leben. Bei vielen anderen Güt_ern sind di e Preise kräfti g gestiegen , Oste rreich ist ein ausgesprochenes Hochpr i I nd . Das Versprechen von Staats kr tärin Ederer, jeder Haushalt würd im Monat tausend Schilling ersparen, hat sich als Seifent1fase erwiesen. Der Kaufkr ftabflu ß ins Ausland ist gigantisch, weil di uro-Konzerne und der Zwischenhand I mög liche Preissenkungen in die eigene 1 eh steckt. ,, Mehr Arbeitsplätze Ein halbes Jahr nach dem Beitritt ist von 11 .000 neuen Arbeitsp lätzen die Rede, nicht ab r davon, wieviele in der Zwischenzeit verloren gingen. Und auch nicht davon , daß die neuen Arbeitsplätze meist schlechter bezahlt und sozial unsicher sind . Denn die Zahl der Pleiten - Stichwort Konsum - ist laut Kreditschutzverb.and ge radezu explod iert. Und sogar OGB-Präsident Verzetn itsch muß zugeben, daß die EU bei 20 Mio. arbeitslosen ihre "Strahlkraft" verl oren hat. Trotz EUBeitritt geht die Verlagerung von Produktionen und Arbeitsplätzen in Bill iglohnländer weiter. ,, Nicht mehr Transit Das steht zwar auf dem Papier, die Praxis sieht anders aus. In Tirol hat seit dem Beitritt der LKW-Verkehr um 70 Prozent zugenommen. Die überarbeitete Transitstudie für Oberösterreich rechnet, daß sich auf der Pyhrn-Strecke bis 201Oder Transitverkehr auf das 9-fache und das Gütervolumen auf das 20-fache erhöht. Die EU will bis 2010 zusätzlich 15.000 km neue Autobahnen bauen . Kein einziges Versprechen zur Förderung der Bahn durch die EU wurde erfül lt. ,, Zukunft der Bauern gesichert Nach letzten Umfragen würden heute nur mehr 16 Prozent der Bauern für den EUBeitritt stimmen . Denn dieser hat für sie einen weiteren drastischen Einkommensver lust gebracht. Dazu kommt eine giganti sche Bürokratie fü r die versprochenen Förderungen, deren Auszahlung von den Behörden in Brüssel , Wien und Li nz immer wieder hinausgezögert wird. ,,Keine neuen Belastungen Wie versprochen, so gebrochen. Nach Volksabstimmung und Nationalratswahl wurde ein Belastungspaket fü r 1995 geschnürt, weitere werden bis 1998 folgen . Die Mineralölsteuer wurde erhöht, der Finanzminister schielt begehrlich auf die Besteuerung des 13. und 14. Bezuges und die geplante Ökosteuer dient nur zum Stopfen der Budgetlöcher, die durch den EU-Beitritt drastisch vergrößert wurden . Dazu kommen massive Erhöhungen der kommunalen Tarife und Gebühren . ,, Weiterhin neutral Wir gehen neutral in die EU, versprach die Regierung. Jetzt wird die Neutral ität als Relikt des "Kalten Krieges" bezeichnet. Und erstmals seit 1945 rollen wieder deutsche Panzer durch Österreich nach Bosnien . Die geplante EU-Mi litärgemeinschaft ist untrennbar mit der NATO verbunden, in die uns F-Chef Haider und andere Scharfmacher drängen wollen . Die "Anpassung" des Bundesheeres dafür würde 50 Mrd. S kosten . Aber ohne Neutralität gibt es auch keine eigenständige Außenpolitik mehr. ,, Hohe Förderungen Der Zirkus um die Lyocell -Anlage der Lenzing AG hat genügend gezeigt, was es mit den Förderungen der EU - die wir letztlich aus unseren eigenen Steuergeldern zu zahlen haben - auf sich hat. Da werden Regionen beinhart von den Konzernen gegeneinander ausgespielt, die Bevö lkerung urid die betroffenen Beschäftigten sind am Ende, die Dummen und die Aktionäre freuen sich über ein Körberlgeld. Ganz davon abgesehen, daß die EU selbst zugeben muß , daß ein Großteil ihrer Förderungen mißbräuchlich bezogen oder verwendet wird. VOR 1 JAHR Am 12. Juni 1994 haben von den stimmberechtigten österreichischen Wählerinnen und Wählern 54,3 Prozent für einen EU-Beitritt gestimmt. Von den Medien werden immer wieder 66,39 Prozent genannt. Die genannten 66,39 Prozent beziehen sich nur auf die abgegebenen Wählerstimmen bzw. gültigen Stimmen. ,, Garantie gegen rechts· Mit dieser Floskel lockten insbesondere manche "l inken" EU-Befürworter in der SPÖ. Aber ihren Visionen zum Trotz geht der Vormarsch der Rechten und Rechtsextremen rapid weiter, ob in Frankreich , Italien oder Osterreich. Nur 6 von 15 EURegierungschefs sind Sozialdemokraten . Gerade die Integration im Dienste der Konzerne schafft den Nährboden fü r rechten Popu lismus. ,, Der Schilling bleibt So wurde es vor dem 12. Juni 1994 versprochen. Heute wird offen darüber gesprochen, daß mögl ichst schon 1998 eine Euro-Währung - ob ECU, Euro, Franken oder sonstwie - eingeführt werden soll. Die österreichische Währungspolitik wird dann noch stärker als bisher im Ausland bestimmt. Die zur Einführung gelegte Latte der Konvergenzkriterien bedeutet weitere Belastungen für die Bevölkerung und Umverteilung zu den Reichen . ,, Offene Grenzen Wer erwartet hat, ab 1. Jänner ohne Paßkontrolle nach Deutschland oder Italien fahren zu können , wurde bitter enttäuscht. Es wird noch einige Zeit dauern, bis im "Kerneuropa" die Grenzen offen sind. Der Preis dafür ist die f.\bschottung der Grenzen nach außen . Osterreich muß für den EU-Grenzschutz 2,5 Mrd . S aufbringen und eine Grenztruppe von 4.400 Mann aufstellen. ,, Wir exportieren Umweltschutz In Umweltfragen kann die EU nicht auf den Tisch hauen, wenn sie eine generelle Kennzeichnung von gentechnologisch hergestellten Lebensmitteln ablehnt, das EU-Mitglied Frankreich Atombombentests wieder aufnimmt, die Atomkraftwerke ausgebaut werden und das gerade erst besch lossene österreichische Tiertransportgesetz zu Makulatur erklärt wird. Daran ist ersichtlich, wer in der EU das Sagen hat.

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