Vorwärts Nr. 3, 28. Jahrgang, August 1995

GEDENKEN AN DIE OPFER DES FASCHISMUS Anläßlich 50 Jahre Befreiung Österreichs vom Nationalsozialismus fanden im Mai 1995 Gedenkveranstaltungen in der Stadt Steyr und am 12. Mai Gedenkfeiern in der ehemaligen KZ- Baracke Ternberg, beim Kraftwerk Ternberg, beim Kraftwerk Großraming und am_ehemaligen KZ- Lagergelände-Mahnmal Diepoldsau statt. Das Komitee "Mauthausen AktivSteyr" und die Ennskraftwerke AG nahmen den 50. Jahrestag der Befreiung zum Anlaß , aller politischen Häftlinge und Opfer des KZ-Mauthausen zu gedenken, die am Bau der Kraftwerke im Ennstal arbeiten mußten . An dem Gedenkakt in der ehemaligen Zentrumsbaracke des KZ-Lagers Ternberg nahmen mehr als 200 Personen aus Polit ik, Wirtschaft, Bildungswesen und Vertretern des regionalen öffentlichen Lebens sowie Schülerinnen mit ihren Lehrern teil. Die KPÖ war durch Otto Treml und Siegfried Vratny vertreten. Mehrere Überlebende des KZ-Mauthausen bzw. dessen Nebenlager, darunter der damalige Lagerschreiber im KZ-Mauthausen, Hofrat Hans Marsalek, welcher als Zeitzeuge berichtete, waren nach Ternberg und Großraming gekommen. Der Obmann des Komitee "Mauthausen Aktiv-Steyr", Mag. Karl Ramsmaier, begrüßte die Ehrengäste, an der Spitze den Vertreter des Innenministeriums, Ministerialrat DDr. Peter Fischer und den Vertreter der polnischen Botschaft in Österreich sowie die beiden Ennskraft-Direktoren Dr. Alois Stellnberger und Mag. Christian Köck. Hochschulprofessor Walter Wippersberg hielt die Gedenkrede. Er prangerte die tatkräftige Mitwirkung mancher Ennstaler an der Ermordung von Juden an, er sprach von der Beteiligung der Hitler-Wehrmacht an Exekutionen und von der Tatsache, daß viele Österreicher ihre Befreiung vom Naziterror ni~ht als solche empfunden hatten, sondern als Niederlage. Diese Tendenz, so Walter Wippersberg, habe sich nahtlos bis in die Gegenwart tradiert. 50 Jahre später darf ein F-Pofitiker ungestraft von "Straflagern" sprechen, wo tausendfach bewiesen ist, daß die Konzentrationslager der Nationalsozialisten ein in der menschlichen Geschichte beispielloses System der industriellen Massenvernichtung waren. Er, Walter Wippersberg, fürchte sich weniger vor den "Neonazi-Rotzbuben" als vor den Revisionisten und den rechten Populisten. Sie verharmlosen, sie rechnen auf, wollen glaubhaft machen, daß alles nicht so schlimm gewesen sei und verschieben damit die Grenzen dessen, was man heute schon wieder sagen und möglicherweise in absehbarer Zeit wieder tun darf. Anschließend sprach Nationalrat Wal - ter Murauer in Vertretung von Landeshauptmann Dr. Pühringer. Hatte Prof . Wippersberg zu differenzieren verstanden und die Dinge beim Namen genannt, so redete Murauer der in Osterreich so bereitwil li g und unhinterfragt tradierten Opfertheorie das Wort. An der ehema ligen KZ-Baracke Ternberg, am Kraftwerk Ternberg selbst und am Kraftwerk Großraming wurden von der Di rektion der Ennskraft Bronzetafeln zum Gedenken an die Opfer des Hitl er-Terrors angebracht. Eine Ausstellung in der KZ-Baracke informierte über diesen t raurigen Zeitabschn itt in den KZAußen lagern und den Bau der Kraftwerke. Die katholischen Geistl ichen, Pfarrer Friedrich Lenhart , Pfarrer Helmut Neuhofer und Pfarrer Karl Lindner, sowie der evangelische Geistliche, Pfarrer Adam Faugel, segneten die Gedenktafeln und gestalteten Kurzandachten. Schüler innen, Lehrer und Professoren sowie Vertreter der Gemeinden füh rten die Kranzn iederlegungen durch. Für die würdige musikalische Umrahmung sorgten die Musikvereine Ternberg und Weyer. Im Bild von r. n. l.: Hofrat Hans Marsalek, Otto Treml und Bezirkssekretär d. ÖGB Steyr Günter Decker bei der Enthüllung einer Gedenktafel am Ennskraftwerk Großraming. 122.767 Menschen ermordet Hofrat Hans Marsalek war ein früheres Mitglied der internationalen Widerstandsorganisation im Konzentrationslager Mauthausen. Nachdem der SS-Lagerkommandant vom KZ-Mauthausen Franz Ziereis am 23. Mai 1945 auf einer Almhütte bei Spital am Pyhrn durch amerikanische Soldaten auf der Flucht verletzt und in das Lager Gusen zurückgebracht worden war, wurde er in der Nacht vom 24 . auf 25. Mai 1945 von Hans Marsalek einvernommen. Die handgeschriebene Niederschrift über die auf die grausamste Weise ermordeten 122.767 Menschen, von Ziereis eigenhändig unterschrieben, wurde dem amerikanischen Oberst Seibel, übergeben. Oberst Seibel nahm am 7. Mai 1995 an der Gedenkveranstaltung anläßlich des 50. Jahrestages der Befreiung des Konzentrationslagers Mauthausen teil und sprach vor Vertretern der Bundesregierung, an der Spitze Bundeskanzler Dr. Franz Vranitzky, und mehr als 40.000 Menschen über die damaligen Ereignisse imKZ-Mauthausen.

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