Vorwärts Nr. 1, 28. Jahrgang, März 1995

Seite 4 Angst und Schrecken - mit System Der Naziterror in Burgenland verbreitet Angst in Österreich. Wir trauern um vier Tote. Wir finden uns aber nicht damit ab, daß Rechtsradikale die Demokratie in Österreich wegbomben wollen. Die Nazis wollen uns mit Gewalt zu Deutschen machen. Unser Antwort darauf heißt Solidarität! Vor 50 Jahren ist Österreich wiedererstanden , weil der Faschismus besiegt wurde . Daran haben auch die Widerstandskämpfer einen nicht geringen Anteil! Deshalb erinnert die KPÖ an die Lehren der Geschichte. Faschismus entsteht in der Krise des kapitalistischen Systems. Wer keine Nazis im Land haben will , der muß für soziale Gerechtigkeit sorgen. Es ist deshalb ein Zufall mit Symbolcharakter, daß die tödlichen Bomben von Oberwart an jenem Wochenende explodiert sind, an dem die Regierung ihr Belastungspaket schnürte. Massenarbeitslosigkeit und Sozialabbau waren schon einmal der Nährboden für den Faschismus. Das muß man den Demokraten auf der Regierungsbank sagen, die jetzt richtige Worte gegen den mörderischen Terror suchen. Die Mörder und ihre Hintermänner müssen gefaßt werden. Aber wir müssen auch die Wurzeln des Rechtsextremismus offenlegen! vorwärts Gedanken zum Gedenkjahr 50 Jahre 2. Republik von Walter Baier, KPÖ-Vorsitzender Ist es nicht alarmierend, daß 50 Jahre nach der Befreiung Österreichs vom Faschismus Angehörige nationaler Minderheiten wieder zu Opfern nationalistischen Terrors werden? Gewiß, der Terror gegen die Roma geht nicht vom Staatsapparat, sondern von einer kleinen kriminellen Gruppe aus. Aber ist es nicht bezeichnend, daß die Exekutive dem Rechtsextremismus scheinbar machtlos gegenüber steht; daß alle Versicherungen des Innenministers, man habe die Neonazis "im Griff", unwahr waren? Tatsache dürfte sein, daß die Terroristen zumindest in Teilen der Exekutive Sympathie und Zustimmung genießen. Ist es nicht alarmierend, daß ein halbes Jahrhundert nach dem Ende der Nazi-Diktatur ein Politiker wie Jörg Haider mit Schlagwörtern des NS-Jargons erfolgreich auf Stimmenfang geht? Gewiß, Privilegien und Korruption in den Reihen der etablierten Parteien sind für viele Landsleute ein immer größeres Ärgernis. Der als "Sparpaket" getarnte Sozialabbau entlarvt die Ankündigungen und Versprechungen vor der EU-Abstimmung der Regierungsparteien als Lüge. Tatsache ist aber auch, daß die Zukunftsprobleme der österreichischen Arbeiter und Angestellten, der Arbeitslosen, Jugendlichen und Pensionisten nicht mit den Phrasen von gestern gelöst werden können, auch wenn diese Phrasen in einem pseudomodernen Gewand auftreten. • Und schließlich: Muß es nicht jeden Österreicher und jede Österreicherin alarmieren, daß 40 Jahre nach dem Abschluß des Staatsvertrages und der Entscheidung Österreichs für die immerwährende Neutralität die ÖVP, SPÖ und F darangehen, unser Land dem Militärpakt NATO anzuschließen? Gewiß, durch den EU-Beitritt wurde die Neutralität schon ausgehöhlt. Dieser EU-Beitritt erweist sich bereits jetzt als ein wirtschaftlicher und sozialer Fehlschlag. Aber sollen wir zusehen, wie die Regierung nun auf den ersten Fehler, EU-Beitritt, den zweiten Fehler, NATO-Anschluß, folgen läßt? Gewiß, in unserem Land gibt es viel zu kritisieren. Probleme wie Arbeitslosigkeit, soziale Unsicherheit oder um sich greifende Fremdenfeindlichkeit fordern uns alle zum Handeln heraus. Aber zumindest: Neutralität, Unabhängigkeit und Demokratie bildeten jahrzehntelang Voraussetzungen einer in der österreichischen Geschichte einmaligen Erfolgsstory. Österreichs Kommunisten und Kommunistinnen haben im Kampf gegen den Faschismus große Opfer gebracht. Wir fühlen uns deswegen berechtigt und verpflichtet, vor dem Weg zu warnen, den die Regierungsparteien nun mit Österreich einzuschlagen gedenken.

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