Vorwärts Nr. 4, 27. Jahrgang, Dezember 1994

große Dichter sich mir erst in der Einzelhaft einer schweren Kerkerzeit wirklich erschlossen hat. Die Formulierung ist wohl überspitzt, wahr aber ist, daß das Eindringen in das WerkAdalbert StiftersZähigkeit und Beharrlichkeit erfordert und er wahrhaftig kein "Drüberstreuer" ist, der sich bei und zu jeder Gelegenheit anbietet. Mit derAuszeichnung, die Sie uns heute zuerkennen, wurde uns ein kulturelles Privilegium verliehen, das uns in Hinkunft begleiten, aberauch verfolgen wird. Eine solche Auszeichnung hat nämlich die Kehrseite, daß ein Ausgezeichneter auch ein Gezeichneter ist. Wer bisher ein vielversprechendes Talent gewesen ist, wird in Zukunft nicht mehr daoach beurteilt werden können, wie vist er odersie etwas gemeint haben bei ihren Versuchen, sondern nur, wie gut sie es getroffen haben. Die Preisträger stehen in einem schärferen Rampenlicht, das Unebenheiten nicht zudeckt, sondern grell aufdeckt. Die künstlerische Unschuld ist mit den Auszeichnungen dahin. In einer noch schwierigeren Lage befinden sich die Kolleginnen und Kollegen, die mit den Haupt-Preisen geehrt werden. Die Erwartung ist hier noch höher und die Öffentlichkeit, grausam wie sie ist, meint dann wohl, daß wir nach so viel Lob und Preis eigentlich nur noch untadalige Meisterwerke hervorbringen uerften. Natürlich sind wir bei solchen unframmen Wünschen weit überfordert, denn die wirklich großen Würfe sind so selten wie Sternstunden. Noch mehr überfordert wären wir, würde man von uns jetzt nur mehr Werke erwarten, die reine Harmonie verkörpern und verströmen. Der große russische Demokrat Alexander Herzen hat einmal gesagt, es wäre falsch, in den Schriftstellern die Ärzte ihrer Zeit zu sehen, sie seien vielmehr der Schmerz ihrer Zeit. Dieses Wort wurde vor rund hundertfünfzig Jahren aLJsgesprochen, es gilt im übertragenen Sinn für alle Kunst und Wissenschaft bis zum heutigen Tag. Der Schmerz selbst heilt nicht, aberohne ihn gäbe es kein Erkennen von Krankheiten und damit auch keine Heilung. Er vor allem ist der unerbittliche Wegbereiter neuer Erkenntnisse. Die Ehrung, die wir heute entgegennehmen dürfen, wird für uns Ansporn sein müssen, unsere Bemühungen mit Zähigkeit und Hingabe fortzusetzen. Dabei wissen wir sehr wohl, daß Kunst die Welt zunächst nicht wirklich verändern kann, schon gar nicht, wenn man sie zum "Direktbeschuß" gegen unbezwungene Festungen einsetzen möchte. Aber Kunst und Kultur wirken und weben mit an der Bewältigung der großen Aufgaben der Menschheit. Wir leben in einerZeit, da wir bereits in den Kosmos vordringen, aber bei allen Triumphmeldungen, zum Jauchzen ist dieser Fortschritt trotzdem nicht, denn was "hier unten" vor unseren Augen tagtäglich geschieht, ist bedrückend und erschreckend genug. Die große Herausforderung stellt sich vns daher nach wie vor in ihrer ganzen Tragweite: Jahrhunderte vorzubereiten, in denen die Menschen bewußter und menschlicher, die Welt gerechter und freundlicher und die Zeiten friedlicher sein werden. KPÖ-BEZIRKSVORSTAND STEYR Steyr, Johannesgasse 16, Tel. (07252) 53179 SPRECHSTUNDEN: Otto Treml Siegfried Vratny Martin Grasser Siegmund Presslmair Karl Riener Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag von 9 bis 11 Uhr von 9 bis 11 Uhr von ~ bis 11 Uhr von16 bis 18 Uhr von 9 bis 11 Uhr Vom BoykottzurAnerkennung Jahrzehntelang wurde der oberösterreichische Schriftsteller Franz Kain ob seines politischen Engagements als Kommunist verschwiegen, in Österreich nicht verlegt, seine Bücher in den hiesigen bürgerlichen Medien kaum rezensiert. Franz Kain wurde schl ichtweg boykottiert . Die gebührende Anerkennung stellte sich erst spät, in den letzten Jahren ein . Ein Höhepunkt der längst überfälligen Ehrungen des Erzählers und Romanciers war die Überre ichung des Adalbert-StifterPreises des Landes Oberösterreich durch die Landtagspräsidentin Angela Ortner. In seiner Laudatio für Franz Kain meinte Schriftste ller-Kollege Walter Wippersberg, Franz Kain zu ehren habe immer etwas von Wiedergutmachung. Man habe ihn zu lange nicht geehrt, nur wenig beachtet. Die geläufige Erklärung, die Kommun istenfresser des Kalten Krieges seien schuld daran, wäre aber nur die halbe Wahrheit. Wippersberg verwehrte sich auch gegen Versuche, den Kommuni - sten und den Schriftsteller Franz Kain - wie schon bei Brecht - auseinanderzudividieren. Franz Kain sei Kommunist und wolle auch so verstanden werden. Wippersberg weiter: "... unbelehrbar ist Franz Kain im gewissen Sinne, sein Leben lang hat er sich nicht ausreden lassen, daß diese Welt eben doch nicht die beste aller denkbaren ist, daß sie gerechter sein und gerechter gemacht werden könnte." Impressum: Medieninhaber (Verleger), Hersteller: KPÖ Steyr,Johannesgasse 16, 4400Steyr.Tel . 07252 / 53179. Redaktion: SiegfriedVratny.Verlags-und Herstellungsort: Steyr

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2