Vorwärts Nr. 5, 23. Jahrgang, September 1990

Vor 40 Jahren: Erinnerung an die Vergangenheit Otto Treml, Gemeinderat der Stadt Steyr, erzählt über den Oktoberstreik 1950 in Steyr Otto Treml war zur Zeit des Oktoberstreiks in den Steyr-Werken beschäftigt, wo er auch in den Tagen des Ausstandes die Streikposten leitete. Schon erstmals 1948 als kommunistischer Funktionär gemaßregelt, fiel er zwar nicht unmittelbar der ersten großen "Säuberungswelle" nach dem großen Streik zum Opfer, war aber dann unter den 400 Kommunisten, fortschrittlichen Arbeitern und "Verdächtigen", die noch 1952 und 1953 auf die Straßge gesetzt wurden. Otto Treml hat alle Phasen des Oktoberstreiks in Steyr miterlebt. Deshalb baten wir ihn, unserer Zeitung darüber zu berichten. Der Oktoberstreik kam für die Steyrer Arbeiter und Angestellten nicht von ungefähr. Der riesigen Protestbewegung gegen den 4. Lohn-Preis-Pakt, die im zehn Tage langen Streik der gesamten Belegschaft der Steyr-Werke einen ihrer Höhepunkte fand, waren ja schon Protestkundgebungen gegen den 2. wie auch den 3. Lohn-Preis-Pakt vorausgegangen. Beim 4. Lohn-Preis-Pakt, der erneut schwere Belastungen für uns Arbeiter und Angestellte bringen sollte, war eben das Maß voll. Als schon damals, im Mai 1949, wieder von der Regierung zusammen mit der ÖGBFührung hinter verschlossenen Türen wieder ~in Lohn-Preis-Pakt ausgehandelt wurde, es war der 3., folgten in Steyr etwa 5000 Arbeiter und Angestellte aller Parteirichtungen dem Aufruf der Kommunisten zu einer Protestkundgebung. Sah doch dieser neuerliche Pakt Tariferhöhungen und höhere Preise für eine große Zahl landwirtschaftlicher Produkte vor. Als dann der Pakt im Parlament von SPÖ, ÖVP und dem VdU gegen die Stimmen der Kommunisten also selbst hier zum ersten Warnstreik kam, dann können wohl kaum nur die Kommunisten dahintergesteckt haben. Der damalige kommunistische Nationalratsabgeordnete Franz Honner hat bekanntlich gleich nach dem Streik Bundeskanzler Figl , Innenminister Helmer und ÖGB-Präsident Böhm mit ihrem Gerede vom Putsch der Lüge geziehen und hat sie aufgefordert, sie mögen doch auch nur einen Wahrheitsbeweis erbringen. Sie blieben jeden Beweis schuldig. Dennoch kommt man immer wieder mit der Putschlüge, wenn es gegen Kommunisten geht. Jeder, der in Steyr beim Oktoberstreik dabei war, weiß, daß es eine große gemeinsame Aktion war, die von allen Arbeitern und Angestellten beschlossen worden war. Wie groß, das konnten auch wir Kommunisten zu Beginn gar nicht abschätzen. Nachdem es am 25. September 1950, wie in der Voest, auch in anderen Betrieben zur Empörung über den Pakt und zu spontanen Arbeitsniederlegungen gekommen war, gingen am nächschierten an der Spitze des Demonstrationszuges. Als wir am Stadtplatz ankame-n, war dieser schon voller Menschen . Betriebsratsobmann Jungwirth hatte das Sirenensignal zur Arbeitsniederlegung geben lassen, und so waren Spitzenfunktionäre der Steyrer SPÖ zum Streikabbruch auf. Aber in Steyr wurde weiter aestreikt. In einer Vollversammlung am 2. Oktober 1950 wurde trotz der Einschüchterungsversuche der Werksdirektion und der Sprecher der SPÖ-Fraktion in einer Abstimmung von der Mehrheit der Belegschaft für den Streik entschieden. 3893 Kolleginnen und Kollegen sprachen sich für, 1705 gegen den Streik aus. Am 4. Oktober, nachdem das Ultimatum an die Bundesregierung ergebnislos abgelaufen war, demonstrierten wir erneut geschlossen auf dem Steyrer Hauptplatz. Da war schon ein starker Ordnerdienst notwendig, um mögliche Provokationen auszuschließen, denn am Vortag hatte der Innenminister Oktoberstreik 1950: Kundgebung der Steyrer Arbeiter auf dem Stadtplatz gegen den 4. Lohn-Preis-Pakt. 16.000 Arbeiter und Angestellte aus allen Betrieben nahmen daran teil . KPÖ-Kundgebung auf dem Steyrer Stadtplatz gegen den 3. Lohn-Preis-Pakt im Mai 1949. Auf dem Lkw: Ing. Leopold Linsenmayr, Stadtrat Alois Zehetner und OttoTreml. angenommen wurde, zeigte sich sehr bald, daß die Lebenskosten beträchtlich stiegen und damit das Realeinkommen absank. Als im darauffolgenden Jahr schon wieder ein Lohn-Preis-Pakt ausgehandelt wurde, der eine Verteuerung fast aller Grundnahrungsmittel vorsah, war doch abzusehen, wie die Arbeiter und Angestellten reagieren würden. Am 26. September 1950 sollte dieser Pakt dem Ministerrat vorgelegt werden. Schon am Tag zuvor kam es in der Voest Linz zu einem Warnstreik. Man hat in der Folgezeit immer wieder versucht, den Oktoberstreik als Werk der Kommunisten und als Putschversuch hinzustellen und wie man sieht, versucht man das auch heute von Zeit zu Zeit. Nun gab es damals in der Voest Linz einen Betriebsrat aus 14 VdUlern, zwölf von der SPÖ und nur zwei Kommunisten. Wenn es sten Tag die kommunistischen Betriebsräte zu den SPÖ-Kollegen, um über Maßnahmen in unserem Betrieb zu verhandeln. Allerdings hatten zu diesem Zeitpunkt die Schichtarbeiter im H-Bau - Rahmenbau . die Arbeit erst gar nicht aufgenommen und so zogen nun an der Spitze Kommunisten und SPÖ-Funktionäre durch die Abteilungen und forderten die Kolleginnen und Kollegen auf, mit zum Betriebsratsgebäude zu ziehen. Dort versammelten sich immer mehr, bis der Betriebsrat (14 SPÖ, 8 KPÖ, 1 VdU) einen Warnstreik und eine Protestdemonstration zur Bezirkshaupmannschaft auf dem Steyrer Stadtplatz beschloß. Der Beschluß wurde den über 6000 versammelten Arbeitern und Angestellten vom damaligen SPÖ-Betriebsratsobmann Jungwirth übermittelt. Und die Spitzenfunktionäre aller Fraktionen marneben der Steyrer Bevölkerung auch die Belegschaften aus 15 Klein- und Mittelbetrieben aus Steyr und Umgebung gekommen. Bezirkshauptmann Dr. Grabner versprach den versammelten rund 16.000 Menschen, er würde unverzüglich deren Protest an die Bundesregierµng weiterleiten. Zu Mittag desselben Tages wurde über Rundfunk der Inhalt des LohnPreis-Paktes bekanntgegeben: Unter anderem wurde Brot von 1,90 auf .2,40 Schilling verteuert, die Semmel von 17 auf 27 Groschen, Mehl von 1,82 auf 2,98 Schilling und der Strompreis wurde um 42 Prozent erhöht. Als sogenannte Abgeltung all dieser gravierenden Teuerungen sollten wir eine Lohnerhöhung von zehn Prozent bekommen. Am nächsten Tag wurde in einer Vollversammlung von der gesamten Belegschaft einstimmig der Streik beschlossen. Der ÖGB-Präsident wurde aufgefordert, in einer Vollversammlung seine Politik zu rechtfertigen. Eine Delegation der SteyrWerke wurde von ihm jedoch gar nicht empfangen. Am 30. September nahmen dann 13 Arbeiterfunktionäre aller politischen Richtungen an der großen gesamtösterreichischen Betriebsrätekonferenz in Wien-Floridsdorf teil. Dort wurde beschlossen, die Streiks bis zu einer Stellungnahme der Bundesregierung zu unterbrechen, und wenn diese nicht erfolgte, am 4. Oktober wieder in den Ausstand zu treten. Das gab allerdings der Bundesregierung und der Exekutive die Möglichkeit, massiv die Arbeiterschaft einzuschüchtern; Verhaftungen und Entlassungen wurden angedroht. Auch die SPÖSpitze übte Druck auf ihre Betriebsräte aus. So riefen dann auch schon die Helmer in der Nähe von Steyr Gendarmerieeinheiten zusammengezogen. Im Anschluß an die Kundgebung wurde im ganzen Stadtgebiet ein Flugblatt von der SPÖ und der Werksdirektion verteilt, in dem jeden Entlassung angedroht wurde, der am nächsten Tag nicht die Arbeit wieder aufnähme. Der Antrag der Kommunisten, den Streik am nächsten Morgen organisiert und einheitlich mit einer Vollversammlung zu beenden, wurde von den SPÖ-Funktionären abgelehnt. Sie versprachen allerdings bei dieser Gelegenheit, daß niemand, der maßgeblich am Streik beteiligt gewesen war, gemaßregelt würde. Noch am selben Abend wurde das Werk von Gendarmerieeinheiten mit Stahlhelm und Karabiner besetzt. Die Putschlüge, die schon während des Streiks lanciert worden war, um die Arbeiterschaft aufzuspalten und die streikenden SPler zur Räson zu bringen, mußte nachher vor allem für die zahlreichen Maßregelungen herhalten. 150 Kommunisten, Betriebsräte, fortschrittliche ·Arbeiter und gewählte Vertrauensmänner wurden sogleich entlassen, mit der Ausrichtung, daß sie in ganz Steyr und Umgebung keine Arbeit mehr bekommen sollten. Dennoch, wie allgemein bekannt ist, gelang es uns Kommunisten, bei den darauffolgenden Betriebsratswahlen im Jahr 1951 mit 2085 Stimmen die höchste Stimmenzahl zu erreichen, die wir je hatten und mit acht Mandaten wieder in den Betriebsrat einzuziehen. Die SPÖ-Fraktion in Zusammenarbeit mit dem damaligen Zentraldirektor Glöckl schaffte es allerdings dann, daß sich bis 1953 die Zahl der Gemaßregelten auf über 400 erhöhte.

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