Vorwärts Nr. 3, 22. Jahrgang, Juni 1989

Drei Fraktionen - keine Alternative! Bei den kommenden Arbeiterkammerwahlen stehen die Wahlberechtigten vor der Frage: Welche der Fraktionen vermaij die brennenden Probleme, vor denen die Arbeiter, Angestellten u~d öffe~tlich Bediensteten in Osterreich stehen, anzupacken und vor allem - welche der Fraktionen 1st bereit und fähig für eine Alternative zu dem bisher herrschenden Kurs anzubieten? Es ist ja unübersehbar, daß der bisherige Kurs der in den Arbeiterkammern herrschenden Kräfte weit eher an der Politik der Koalitionsregierung als an den Interessen der arbeitenden Menschen interessiert war. SP-Fraktion - Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit Die SP-Gewerkschafter verkünden in ihren Wahlaufrufen neben al - lerlei schon lang gebrauchten Formulierungen auch eine Reihe wichtiger Forderungen. So verlangen sie etwa die Stärkung der verstaatlichten Industrie oder die 35-StundenWoche bei vollem Lohnausgleich. Aber bei all diesen Forderungen erhebt sich die Frage: Was hat denn die FSG bis jetzt getan? Diese Forderungen sind ja nicht gerade neu. In den vergangenen Jahren hätte die SP-Fraktion sehr viel Möglichkeiten gehabt, diese Forderungen in die Praxis umzusetzen. Aber was hat die SP-Fraktion denn in Wahrheit getan, als in den vergangenen Jahren die verstaatlichte Industrie zerschlagen und tausende Arbeitsplätze vernichtet wurden? Schließlich beherrscht die SPFraktion sieben der neun Arbeiterkammern - und gerade die wichtigsten - und stellt auch die vorherrschende Kraft im ÖGB dar. Wenn also die FSG-Forderungen bloßes Papier bleiben, so liegt dies gewiß nicht daran, daß die FSG zuwenig Macht und Einfluß hätte. Der Grund ist eher in der engen Verflechtung der sozialistischen Fraktion mit der Regierungspolitik zu suchen. Wie sagte doch der Kanzler Vranitzky so schön bei der "FSG-Gala" zum Wahlkampfbeginn: "Für mich gibt es keine Grenzen zwischen Gewerkschaftsfraktion, AK-Fraktion und SPÖ." Und weil es diese Grenzen nicht gibt, wird die FSG eben immer wieder Erfüllungsgehilfe der Regierungspolitik, was für 4 gute Gründe, den Arbeiterkammer-Rat Othmar Grünn, GLBSpitzenkandidat bei der AK-Wahl im Juni Forderungen auch immer sie sonst auf das geduldige Papier setzen mag. ÖAAB - Der konservative Zugriff Bemerkenswerterweise kandidieren diesmal die christlichen Gewerkschafter nicht mehr für die Arbeiterkammern. An ihrer Stelle ist eine Liste "ÖAAB-VP" getreten . Damit baut die ÖVP ihren direkten Zugriff im Gewerkschaftsbereich noch aus. Offenbar war die Fraktion christlicher Gewerkschafter kein ausreichend unterwürfiges Instrument für den Austro-Thatcherismus, den die ÖVP den Österreicherinnen und Österreichern andienen will. Die inhaltlichen Forderungen des ÖAAB lesen sich so, als ob sie vom Wirtschaftsbund oder der lndustriellenvereinigung formuliert worden wären: Privatisierung, Flexibilisierung, schrankenlose Unterwerfung unter die EG und ja keine 35Stunden-Woche. Mit einem Wort - ein richtig neokonservatives Programm. Die FPÖ - in der AK fehl am Platz Die FPÖler fallen im allgemeinen in ÖGB und AK nur dadurch auf, • Keine Packelei mit Regierung und Unternehmern Linksb 10 C k • ~=~~a~~:nvon den Großen keinen Maulkorb zu stärken: • Mutige Interessenvertretung • Kein Parteienzwang daß sie das Kunststück versuchen, den ÖAAB rechts zu überholen. Diesmal haben sie sich aber etwas Besonderes ausgedacht: Sie verlangen, daß die verbindliche Mitgliedschaft in der Arbeiterkammer abgeschafft werde und die AK damit nur ein Verein wie ein beliebiger Kegelklub werden soll. Das ist ein alter Wunschtraum der Unternehmer. Aber die FPler müssen sich doch der Frage stellen: Wenn euch die Arbeiterkammer so zuwider ist, warum kandidiert Ihr dann dafür? Etwa bloß um ein paar "blaue" Funktionäre unterzubringen? Eine Alternative muß unabhängig von der Regierungspolitik sein Nur eine Fraktion, die von der Politik der großen Koalition unabhängig ist, kann eine Alternative zur Regierungspolitik sein - das bedeutet nicht die Regierung rechts zu überholen und noch eilfertiger die Unternehmerwünsche zu apportieren, wie die FPler. Das bedeutet vielmehr, für eine konsequente Interessenvertretung der arbeitenden Menschen zu wirken. Der Gewerkschaftliche Linksblock hat in den vergangenen Jahren gezeigt, daß er eine solche Orientierung in den Kammern durchzusetzen bestrebt ist. Er hat sich als wichtige Kraft der Kritik und Kontrolle erwiesen und hat viele brennende Fragen aufgerollt, die die Regierungsfraktionen unter den Tisch kehren wollten. Eine Stärkung des GLB wäre ein Schritt für die Herausbildung einer wirklichen regierungsunabh?ngigen Alternativpolitik in AK und 0GB. "Vorwärts" - Med ieninhaber (Verleger), Hersteller: KPÖ-Steyr, Johannesgasse 16, 4400 Steyr, Telefon (07252) 23179; Redaktion: Siegfried Vratny; Verlags- und Herstellungsort: Steyr.

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