Vorwärts Nr. 3, 19. Jahrgang, Juli 1986

KPÖ-Sekretär Silbsrmayr zur Politik von ÖV nd Grünen: Der falsche Denkzettel Der Jubel dröhnt noch in den Ohren, der nach dem Bekanntwerden des Wahlsieges von Dr. Waldheim in der ÖVP-Zentrale ausbrach. Diese Szenen zeigten, wie wenig von der offiziellen Beteuerung des ÖVP-Obmannes, er beanspruche das Wahlergebnis nicht für »seine Partei«, zu halten ist. • Wie man die Dinge auch dreht: Das Wahlergebnis vom 8. Juni wurde von den führenden ÖVP-Politikern als Bestätigung ihrer Politik aufgefaßt. Was ist das aber für eine ÖVP-Politik? Wessen Interessen dient sie? Wer hat den Nutzen? Im politischen· Geschehen ist es wie beim Einkaufen: Man soll nicht auf die Verpackung schauen , sondern auf den Inhalt. Oft sind die schlechtesten Produkte von der schönsten Hülle umgeben. keit entspringt aber der angebliche Wunsch nach »flexiblen« Arbeitszeiten nicht dem »freien Willen« , sondern zumeist einer Zwangssituation. Sehr wohl aber liegt die »Flexibi l isierung« im Interesse von Kapitalisten , die sich mobile, jederzeit verfügbare und einteilbare Arbeitskräfte wünschen . Diese Methode als Interessen der arbeitenden Menschen auszugeben , was eigentlich .9em Großkapital nützt, praktiziert die OVPFührung auch auf anderen Gebieten. Wie in der Innenpol it ik ist es auch in der Außenpolitik: • ÖVP-Politiker gehören zu den eifrigsten Befürwortern des US-Hochrüstungskurses unter Präsident Reagan, obwohl diese US-Politik Europa in besonderem Ausmaß bedroht. • ÖVP-Spitze.npolitiker fordern eine engere Bindung Osterreichs an die EG, obwohl Importe aus dem EG-Raum den _österreichischen Markt überschwemmen und die unsere Wirtschaft in immer größere Abhängigkeit vom Auslandskapital, besonders der BRD kommt. Die österreichbewo •lin Traditioner, eines Leopold Figl sfna be i den ÖVPSpitzenpolitikern kaum mehr vorhanden . Anders ist es bei den Funktionären an der Basis und »einfachen« ÖVP-Mitgliedern, um deren Meinung sich aber die Führung in der Regel wenig kümmert. Einig über Fortsetzung der Sozialpartnerschaftspackelei Es ist daher ein falscher »Denkzettel« :, wenn arbeitende Menschen heute aus lJnzufriedenheit über .die SPÖ-Politik OVP wählen. Das ändert nichts an der herrschenden Politik. Bei allem Streit zwischen den Parteien in der Öffentlichkeit herrscht zwischen ihnen in der »Sozialpartnerschaft« ein Klima der Zusammenarbeit und des Konsens . • Um diesen Konsens nicht zu belasten, hütet sich die SPÖ-Führung davor, die »Demagogie« und Scheinopposition der ·övP wirklich aufzudecken. Solange dieses Spiel zwischen den »Sozialpartner-Parteien« fortdauert und bei Wahlen seine Bestätigung findet , können die Mächtigen ihre Politik der Belastungen und Privilegien fortsetzen . Sind Grüne eine Alternative? Erstmals soll es bei den kommenden Nationalratswahlen zu einer vereinigten grünen Sammelkandidatur kommen. Um ins Parlament einzuziehen, haben sich offen reaktionäre Personen (»Wertkonservative«) und Menschen mit gesellschaftsveränderndem Anspruch zusammengetan . Wie kann man aber die GeDr. Susanne Sohn zur Friedenspolitik: GUTSCHEIN für eine »Neue Ze it«-Gratis-Zusendung: • eine Woche tägl ich oder • an fü nf Fre itagen mit Beilage Name: ......... .... ....... .. ........ .. ... .... .... ............. .... .. Adresse: ... .. .. ... ..... ......... ...... ... ..... .. ... ...... ....... .. Gewünschtes ankreuzen, Gutschein ausschneiden, au f Postkarte aufkleben und einsenden an: »Neue Zeit«, Melicharstraße 8, 4020 Linz Grat isinserat sellschaft verändern , wenn man mit Leuten zusammengeht , die für Sozialabbau, gegen Frauenrechte und für Reprivatisierung verstaatlichter Betriebe eintreten. • Schon im 2. Wahlgang der Bundespräs identenwah l haben in den westlichen Bundesländern Meissner-BlauWähler mehrheitlich den ÖVP-Kandidaten Waldhe im gewählt. Die Unterstützung einer grün-alternativen Sammelliste wäre daher ein Protest, der wirkungslos verpufft. »Wertkonservative« Kandidaten sind ebenso wie die ÖVP keine Alternative für fortschrittliche Menschen. Eine fortschrittliche Politik im Interesse der arbeitenden Menschen kann hingegen nur durch »Mehr Druck von links« erreicht werden! Dr. Walter SILBERMAYR, Sekretär des Zentralkomitees der KPÖ Abriistung bleibt entscheidender Angelpunkt! • Mit der Politik der ÖVP-Führur.g verhält es sich ähnlich . Nach außen wird die Regierungspolitik lautstark kritisiert und werden Anderungen gefordert. Schaut man sich aber die ÖVP-Konzepte genauer an , dann sehen die~e für die arbeitenden Menschen um nichts besser aus. Am Beispiel Steuerpolitik... Nehmen wir ein Beispiel aus der jüngsten Vergangenheit. Führende ÖVPFunktionäre verlangen eine Steuersenkung. Sie sagen aber nicht, wer diese bezahlen soll. Es werden sowohl eine Senkung der Lohnsteuer (es gibt ja wieder Wahlen) als auch ein weiterer Ausbau der Steuerbegünstigungen für die Superreichen, die heute schon fast keine Steuern mehr zahlen, gefordert. Es ist genauso, als wollte man einem Kind, das bei der Aufteilung eines Kuchens immer zu kurz kommt, einreden , es könnte ein größeres Stück bekommen, ohne daß das restliche·Stück kleiner würde. Wer dabei stets zu kurz kommt , das hat die ÖVP-Führung in der Praxis schon gezeigt: . • In der Zeit ihrer Alleinregierung Ende der Sechzigerjahre wurden - vor allem auf Kosten der schwächeren Einkommensschichten - die Autosondersteuer neu eingeführt und 13 weitere Steuern erhöht. Und das bei einer viel günstigeren ß.udgetsituation als heute. In führenden OVP-Kreisen rechnet man offenbar mit der Vergeßlichkeit der Österreicher. »Flexibel« für Unternehmer Heute fordert die ÖVP-Spitze die einführung »flexibler« Arbeitszeiten mit der Begründung, diese lägen im Interesse der arbeitenden Menschen. In Wirklich- ~uz,r0 1 ," ) i U, - i'r UNS .DiE I , Von einer »Heimsuchung für die Sowjetunion« sprach Michail Gorbatschow angesichts der Katastrophe von Tschernobyl. Viele Menschen, die bisher meinten, die Friedensbewegung übertreibe mit ihren Warnungen vor der atomaren Gefahr, wurden nun selbst konfrontiert mit radioaktivem Fall-Out. • Dabei ereignete sich aber in Tschernobyl keine nukleare Explosion, sondern eine Dampfexplosion. Welche Folgen hätte die Explosion auch nur einer Atombombe? Unvorstellbar! Zu Recht erklärte die Internationale Vereinigung »Ärzte zur Verhütung des Atomkrieges« auf ihrem Weltkongreß in Köln , daß Tschernobyl ihre Warnungen bestätigt: Ärztliche Hilfe ist in einem Atomkrieg nicht mögl ich! Erforderte schon dieser Unfall großen KräfteaufDr. Susanne SOHN, Mitglied des Zentralkomitees der KPÖ wand in der Sowjetunion selbst und international. zweitens bestätigt Tschernobyl , wie auch der Absturz der »Challenger«- Raumfähre, daß hochentwickelte Technologien versagen können. Das bedeutet , daß heute ein Computerfehler einen Atomkrieg auslösen könnte. • Wenn jetzt viele besorgte Menschen den sofortigen Austritt aus der Atomenergie fordern, so bleibt oft der Zusammenhang zur atomaren Rüstung unberücksichtigt. Denn die Nutzung der Kernkraft zur Gewinnung von Energie wurde erst später entwickelt, nachdem der atomare Vernichtungsschlag erprobt worden war . In Hiroshima und Nagasaki starben im August 1945 an die 200.000 Menschen durch zwei Atombomben , die die Regierung der USA abwerfen ließ. Ein Feuersturm zerstörte die beiden Städte. Bis heute wirken in Japan die Spätfolgen: Leukämie, Krehstote, mißgebildete Kinder ... Atomrüstung bedroht Existenz der Menschheit Um der atomaren Erpressung zu entgehen, entwickelte die Sowjetunion nach den USA die Atombombe. Zu Beginn der 50er Jahre fiel , sozusagen als »Nebenprodukt« , die friedliche Anwendung der Kernenergie ab. Heute sind zahlreiche Staaten bereits in hohem Maß von der Kernenergie abhängig (Frankreich 59 %, Belgien 51 %, Schweden 41 % , Schweiz 37 %, BRD 23 % , Ungarn 22 % , USA 14 %, UdSSR 10 %). Ein sofortiger Ausstieg aus der Kernenergie ist nicht möglich. Aber die Entwicklung alternativer Energien wird durch die atomare Rüstung behindert. Denn diese verschlingt nicht nur selbst ein enormes Maß an Energie und Rohstoffen , sondern hält auch nahezu die Hälfte aller Wissenschafter dieser Welt in ihren Fängen, die für die Forschung und Entwicklung atomarer Waffensysteme arbeiten. Außerdem sollten wir nicht vergessen: • Auch wenn die atomare Rüstung nicht eingesetzt wird, tötet sie schon jetzt. Jede zweite Sekunde verhungert ein Mensch. Millionen in Afrika, Lateinamerika und Asien hungern . Die Schuldknechtschaft vieler Länder der »Dritten Welt« ist ·bereits so hoch, daß alle Mittel nur zur Tilgung von Zinsen aufgewendet werden und für die Entwicklung der Länder nichts mehr bleibt. Reagan bereitet »Krieg der Sterne« vor... Dennoch ist die Regierung der USA, massivst unterstützt von der Rüstungslobby, entschlossen, die wahnwitzige Hochrüstung fortzusetzen . Für das Programm der atomaren Aufrüstung im Weltraum (SOi genannt) sind über 100 Milliarden Dollar vorgesehen. Obwohl in den USA, dem reichsten Land der Welt soziale Projekte drastisch eingeschränkt wurden und Millionen arm sind: Menschen ohne Arbeit, ohne Obdach... • Offensichtlich ist, daß die militärische Oberhand im Weltraum die Beherrschung der Erde bedeutet. In den USPlänen sind Weltraumkampfstationen mit Atomreaktoren , Laser-Waffen und anderen Waffensystemen vorgesehen. Wenn wir SOi nicht verhindern werden, dann erhält die Hochrüstung eine neue ungeheure Dimension. Außerdem erklärte Aräsident Reagan chemische Waffen in vltt steuropa lagern zu wollen. Er will sich nicht mehr an den SAL-II-Vertrag mit der Sowjetunion halten. Damit stößt Reagan allerdings selbst bei engsten NATO-Verbündeten auf Widerstand. Konsequente Friedenspolitik der Sowjetunion In der Sowjetunion profitiert niemand von der Rüstung. Alle wissen, daß die Militärausgaben zu Lasten der Wirtschafsentwicklung gehen. Daher versucht die UdSSR Beschränkungen der Rüstung zu erreichen. Die SAL-Verträge schienen bereits der richtige Weg zu sein. • Aber unter Reagan wurde dieser Verhandlungsprozeß abgebrochen. Nun hat die Sowjetunion erklärt , einseitig bis zum 6. August dieses Jahres keine Atomwaffentests durchzuführen. Die USA zünden weiter Atombomben in Nevada und Frankreich am Mururoa-Atoll trotz heftiger Proteste von Neuseeland und anderer Anrainer. • Am 27. Parteitag der KPdSU wurde ein detaillierter Stufenplan vorgelegt , wie bis zum Jahr 2000 die Welt atomwaffenfrei sein könnte. Da manchmal behauptet wird , die Sowjetunion sei gegen Atomrüstung, weil ihre konventionellen Waffen überlegen seien, schlug Michail Gorbatschow bei der letzten Tagung der Staaten des Warschauer Vertrages in Budapest auch die Verminderung aller konventionellen Waffen vor. Dabei erklärte er die Bereitschaft der Sowjetunion , internationale Kontrollen überall im lande zuzulassen. Gemeinsam für den Frieden kämpfen! Wie zahlreiche Regierungen und internationale Bewegungen (Sozialistische Internationale usw.) spricht sich auch die österreichische Regierung in ihrem außenpolitischen Bericht gegen die Militarisierung des Weltraums aus und begrüßt die Initiative der UdSSR auf Atomtests zunächst zu verzichten. Die internationale Friedensbewegung wird besonders am Hiroshima-Gedenktag (6. August) weltweit mobilisieren, um der Forderung nach Abrüstung Nachdruck zu verleihen. Der sofortige Austritt aus der Atomrüstung ist das Gebot der Stunde. Dieser brächte • außer der Rüstungslobby • niemanden Nachteile, sondern vielmehr die einzige Chance, Millionen Menschen vor dem Hungertod zu bewahren. Eine fried• liche Welt ist nur ohne Atomwaffen zu verwirklichen! • Dafür trift auch die österreichische Friedensbewegung ein. Unterstützen wir sie nach Kräften! Dafür muß auch die österreichische Bundesregierung außenpolitische Initiativen entwickeln!

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