Vorwärts Nr. 3, 19. Jahrgang, Juli 1986

KPÖ-Vorsitzender Franz Muhri zur Präsidentenwahl und Re$1ierungsumbildung: SP-Politik führte zur Stärkung der ÖVP Das Wahlergebnis vom 8. Juni zeigt noch deutlicher ein Anwachsen und stabiler ~erdendes Protestpotential, auch in den Arbeiterzentren. Zugleich ist der Erfolg des OVP-Kandidaten Waldheim ein weiterer Schritt nach rechts im Rahmen der schleichenden politischen Rechtsentwicklung, die in Österreich seit langem vor sich geht, die auch in der Politik der SP-Führung vor sich geht, durch sie mit verursacht wird. • Die entscheidende politische Verantwortung dafür, daß zum ersten Mal in der Zweiten Republik ein ÖVP-Kandidat Bundespräsident wird, liegt bei der SPÖ: Bei ihrer Politik der Preisgabe der Vollbeschäftigung, in der zunehmenden Massensteuerbelastung, der drastisch steigenden Wohnkosten, der Privilegienwirtschaft, der Unglaubwürdigkeit und schleichenden Entdemokratisierung, um einige Beispiele zu nennen. Diese Politik der SPÖ und der Regierung führt auf dem Boden der allgemeinen Krise _des ~apitalismus zur Stärkung der Konservativen und Neokonservativen in der ÖVP. Aus der Wahl des »klei - neren Übels« entstehen größere Übel. Vor der Wahl »dramatische Gegensätze« - nachher weiter Sozialpartnerschaftspa.ckelei Im Wahlkampf zur Bundespräsiden - tenwahl wurd_en dramati~che Gegensätze zwischen OVP und SPO vorgetäuscht. Das wird jetzt angesichts der bevorstehenden Nationalratswahl und der steirischen Landtagswahl noch zunehmen. · wirtschaftlichen Stillstand ganzer Regionen nicht zulassen werden , steht in Widerspruch zu den Tatsachen . Denn die industrielle Schrumpfungspolitik wird fortgesetzt. In vielen Regionen unseres Landes ist nicht nur ein Stillstand , sondern bereits eine Rückwärtsentwicklung kennzeichnend. Neues Belastungspaket nach den Wahlen! Völlig unglaubwürdig ist auch die Erklärung der Regierung, daß bei der Budgetkonsolidierung nicht der Abbau sozialer Einrichtungen die Perspektive sei . Schon bisher wurden unter dem Titel der Budgetkonsolidierung Beschränkungen bei den Sozialausgaben eingeführt, wie z.B. die Pensionsgegenreform. • Nach dElr .jüngsten Budgetvorschau des Wirtschafts- und Sozialbeirates werden die Tilgungen und Zinszahlungen , die heuer 82 Milliarden Schilling ausmachen, im Jahre 1990 bereits 107 Mrd. ' S betragen . Dieser Beirat ist ein Gremium der »Sozialpartnerschaft« , in welchem die Vertreter des Kapitals , der ÖVP und · der SPÖ einträchtig zusammensitzen. In dieser Studie wird u.a. »die Privati - sierung staatlicher Ausgaben , insbesonders im Wohnbau und in der Altenbetreuung«, also ein weiterer Sozialabbau verlangt. In Wirklichkeit wird also schon jetzt ein neues Belastungspaket für die Zeit nach den kommenden Nationalratswahlen vorbere itet. Daß Vranitzky den Standort Hainburg für ein weiteres Donaukraftwerk, den Minister Kreuzer bereits für politisch tot erklärte , wieder zu einer offenen Frage erklä rte , bestärkt uns in der Forderung an die Regierung nach einer Entscheidung zugunsten von Alternativstandorten , die nachweislich möglich sind , noch vor den kommenden Nationalratswahle'n. Ein Kraftwerkstandort Hainburg und die Errichtung eines wirklichen Nationalparkes sind miteinander unvereinbar. • Außenpolitisch enthält die Regierungserklärung die Orientierung auf ein »optimc11es Verhältnis« zur EG. Der neue . '~ 1?.: : .-:2 ~- , c . ~ c] ::, GLB-Vorsitzender Anton Hofer zur Steuerreform: Außenminister Jankowitsch hat sich dafür ausgesprochen , daß die Beziehungen zur EG so en9 gestaltet werden solle, »als wenn wir Mitglied wären«. Dieser K_urs ist gegen die nationalen Interessen Osterreichs gerichtet! Fortschrittliche Änderung statt Rechtsentwicklung! Unser Land braucht nicht eine weitere schleichende Rechtsentwicklung in der Politik, sondern eine fortschrittliche Änderung. ,Pie Erfahrung zeigt, daß eine sol~he Anderung nicht innerhalb der SPO entsteht. Sie erfordert mehr Druck von links, von außen! • Die Durchs~tzung einer fortschrittlichen Alternative erfordert die Zurückdrängung ~er »Sozialpartnerschaft«, den verstärkten gemeinsamen Kampf der Arbeiterschaft und aller Werktätigen unseres Landes, eine Stärkung der Kommuni• stischen Partei und des Gewerkschaftlichen Linksblocks, die konsequent für die- .Sicherung der Arbeitsplätze, für die Verteidigung und den Ausbau der sozialpolitischen und demokratischen Rechte der Werktätigen, für eine soziale Steuerreform auf Kosten des Kapitals, für internationale Abrüstung und Frieden eintreten! Für eine soziale Steuerreform! Franz MUHRI, Parteivorsitzender der KPÖ • Wir stellen ÖVP und SPÖ nicht gleich. Tatsache ·ist aber, daß mit Vranitzky ein Mann Bundeskanzler wurde , der in vielem, vor allem was die Wirtschafts- und Sozialpolitik betrifft, den Forderungen der ÖVP noch näher steht. • Offenbar spielen hier auch Überlegungen eine Rolle, nach den Nationalratswahlen eine große Koalition mit der OVP zu schließen, um die Sozialpartnerschaftspackelei reibungsloser fortset - zen zu können . Regierungsumbildung: Weiterer Schrit-t nach rechts! Offensichtlich ist die SP-Führung auch weiterhin nicht bereit, politische Konsequenzen aus der Wahlniederlage vom 8. Juni zu ziehen. Denn die Umbil - dung der Regierung ist politisch ein weiterer Schritt nach rechts, eine weitere Anpassung an den Druck und die Forderungen des Kapitals sowie der ÖVP. • Dies geht auch aus der Regierungserklärung und den ersten Stellungnahmen des neuen Bundeskanzlers sowie der anderen Minister hervor. Es steht in Widerspruch zu den Tatsachen , wenn es in der Regierungserklärung heißt , drei Jahre SP-FP-Koalition hätten wesentliche Fragen gelöst. In Wirklichkeit ist kein einzi - ges Grundproblem gelöst worden , neue Probleme sind hinzugekommen , wie die auch in diesem Jahr weiter steigende Arbeits- und Jugendarbeitslosigkeit. • Was den verstaatlichten Sektor betrifft, wird auch in der Regierungserklärung auf sogenannte »betriebswirtschaftliche« Lösungen orientiert, worunter weitere kapitalistische Rationalisierungsmaßr:,ahmen .auf Kosten der Beschäftigten und der betroffenen Regionen gemeint sind. Wir verlangen den Ausbau der Betriebe durch neue Finalproduktionen! Wir sind die einzige Partei, die weiterhin voll und ganz die Forderüngen der Betriebsräte und Belegschaften unterstützt, die auf den Kundgebungen am 16. Jänner in Linz und Leoben erhoben wurde! • Der Hinweis in der Regierungserklärung, daß die Bundesregierung einen 1983 hat der damalige Bundeskanzler Fred Sinowatz in seiner Regierungserklärung .· die rasche Durchführung einer Steuerreform als vordringliche Aufgabe angekündigt. Aber wie viele Versprechungen wurde auch diese zunächst auf Eis gelegt. Als Vorwand für das Hinausschieben mußte das Argument herhalten, die Sanierung des Budgets müsse Vorrang haben. • Doch trotz zunehmender Belastungspolitik (Mehrwertsteuererhöhung, Pensionsgegenreform usw.) stiegen Budgetdefizit und Staatsschulden sprunghaft ~eiter an. Der Grund dafür liegt ganz einfach in der Tatsache, daß das Großkapital in Osterreich fast keine Steuern bezahlt. Rund 70 Prozent der Kapitalgesellschaften bezahlen keine Körperschaftssteuer und die SP-FP-Koalitionsregierung hat bisher nichts getan, um den Steuerdruck von den arbeitenden Anton HOFER, Vorsitzender des Gewerkschaftlichen Linksblocks im ÖGB Menschen zu nehmen . Aber für das Großkapital wurden laufend weitere Steuererleichterungen beschlossen. ·100 Milliarden Schilling Gewinnsteuern entgangen... Wären in den letzten fünfzehn Jahren die Gewinnsteuern genauso gestiegen wie die Lohnsteuer, so hätte der Finanzminister jährlich um zirka 100 Milliarden Schilling mehr zur Verfügung. Das würde nicht nur den Budgetspielraum wesent - ltch vergrößern, sondern es wären genügend Mittel für eine soziale Steuerreform vorhanden. • Um den Druck auf die Regierung für eine soziale Steuerreform auf Kosten der Reichen und_Superreichen zu verstärken hat die KPO gemeinsam mit dem Gewerkschaftlichen Linksblock , der Kommunistischen Jugend Österreichs und anderen Organisationen eine Unterschrittenkampagne durchgeführt und mehr als 50.000 Unterschriften gesammelt. · Hauptforderungen der Unterschriftenaktion Hauptforderungen unserer Unterschrittenaktion waren: • Eine radikale Senkung der Lohnsteuer und die jährliche Anpassung an die In50.000 Unterschriften für eine soziale Steuerre Führung von KPÖ-Vorsitzendem Franz Muhri u nister. Vor dem Finanzministerium demonstrie deräte, darunter der oö GL eerbeiterkammerra ne soziale Steuerreform. flationsrate. Die vom ÖGB geforderte Steueranpassung muß noch 1986 wirksam werden. • Die Herabsetzung der Mehrwertsteuersätze und ihre völlige Streichung für Mieten und kommunale Dienstleistungen. • Eine Umverteilung der Steuerlasten durch höhere Besteuerung von Kapital und Vermögen. • Abbau der Steuer- und Subventionsprivilegien der Reichen. E;)ne Delegation unter Leitung des KPO-Vorsitzenden Franz Muhri überAab dem vormaligen Finanzminister und jetzigen Bundeskanzler Vranitzky die Unterschriften. Die Delegation wies darauf hin, daß die Vorschläge für eine soziale Steuerreform sich..grundlegend _yon den Forderungen der OVP und des 0GB unterscheiden, da wir eine Umverteilung der Steuerlasten verlangen, aber gleichzeitig auch sagen, daß es eine Ansammlung von Profit und Reichtum in Österreich gibt wie nie zuvor und daß man dort die Mittel für die Reform holen kann. • Die 50.000 Unterschriften und noch mehr Druck von den arbeitenden Menschen sind ein Beitrag zur Durchsetzung einer sozialeren Steuerpolitik!

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2