Vorwärts Nr. 2, 17. Jahrgang, April 1984

Ein echter Diesel für Pkw Ein neuerr Steyr-Hit düiifte übrigens der Volldieselmotor M 1 werden. Während bei Pkw bisher bloß .,verdieselte" Otto-Motoren gebräuchliah sind - wias übrigens auch auf die im BMW-Motorenwerk gefertigten Dieselaggregate zutrifft -, wird der auf dem Prüfstand bereits serienrei fe M 1 ein echter Diesel mit Einspritzung. Durch eine integrierte Scha llka psel unterscheidet er sich in der Laufruhe durch nichts mehr von einem Benzinmotor, wenn man davon absieht, daß der M 1 mit der halben Treibstoffmenge auskommt. Hinweise dieser Art bei unserem Besuch deuten darauf hin, daß man im Werk Steyr einige Pfeile im Köcher hat, die durchaus gee(gnet erscheinen, dem Unternehmen gewalti-gen Auftrieb zu geben. Vorausgesetzt: Marketing und Vertrieb entsprechen den verfügbaren Qualitätsprodukten. Daß d ies bisher nicht gan·z der Fall war, davon scheinen die Arbeiter und Betriebsräte im Werk Steyr überzeugt. Dabei gehen sie auch von Eigenerfahrungen aus. Beispielsweise Was leisten die Steyr-Arbeiter? Steyr-Daimler -PuchAufsichtsratsvorsitzender Hannes Androsch meint, daß der Konzern zu viele Standorte hat und zu viele Produkte herstellt, die Pro- Kopf-Umsätze bis zu 40 Prozent zu niedrig und die Kosten um 20 Prozent zu hoch sind . Die jüngsten 250 Kündigungen und 100 Oberstellungen in Steyr seien nur die #Spitze des Eisbergs• gewesen. Daß Androsch in der Zeitschrift des VP -Akademikerbundes nicht belangloses Zeug dahergeredet hat, zeigt sich in den Standorten des Konzerns seit kurzem bereits sehr konkret: Drei Unternehmensberatungsfirmen sind drauf und dran, den größten nicht direkt verstaatlichten Industriebetrieb (Bilanzsumme 1982: 1-4,8 Milliarden Schilling) llnter den Röntgenschirm zu n-:?hmen. Arbeiter und Betriebsräte, Ingenieure und Techniker im SteyrerHauptwerk verstehen die Welt nicht mehr: Ihr solider Betrieb, ihre aufopferungsvolle Arbeit wird plötzlich skandalisiert. Die bürgerlichen Medien erwecken den Eindruck. wie wenn der Konzern am Boden läge. Und ein Teil der Schuld wird angeblichen „Privilegien" zugeschoben die die Steyr-Werker sich unter den Nagel gerissen hätten. Weiter Unsicherheit Empört ist man insbesondere auch darüber, daß Arbeiterkammerchef Adolf Czettel in dieses Konzert der Miesmacher mit der Bemerkung eingestimmt hat, Stundenlöhne von 90 Schilling und mehr seien überhöht. Bel unserem Besuch in Steyr meinte ein SP..,Betrlebsrat, der Jahreseinkommensmillionär Czettel solle sich einmal ansehen, wie schwer 90 bis 100 Schilling in einer Akkordstunde verdient s ind. Übrigens ergeben derartig „überhöhte" Stundenlöhne Monatseinkommen in dec Höhe von bloß 10.500 Schilling netto. Ein Betrag, bei dem man n icht mehr weiß, wie man ihn ausgeben soll? Unsicherheit ist nach wie vor das Hauptkennzeichen für die Lage der Steyr-Arbeiter. Ein Kollege, der an einem Schweißautoma ten in der Fahrerhausmontage arbeitet, meint, die Probleme seien längst nicht ausgestanden. Ein jeder fürchtet, bei t':',nem Fehler den Wanderstab in cüe Hand gedrückt zu bekommen. Dabei besteht die überwiegende Mehrheit der Steyr-Belegschaft a u s außersl ho~hq1talifiiierten Facharbeitern (von den Auslernlingen werden jeweils nur Leute mit ei nem Vorzug bei der Facharbeiterprüfung sicher übernomme n) . Sie würden in k ei nem anderen Betrieb bei gleicher Arbeitsanforderung schlechter bezahlt. Was sie können, lohnt sich n äh er anzusehen. Bei spielsweise die Hau;:>telemente der höchst arbeitsteiligen Lkw-Fertigung. , Rein organisatorisch zerfällt sie In die Fertigung von Einzelteilen samt Oberflächenbehandlung, die Montage von einzelnen Elementen wie Motor, Getr iebe, Achsen, Fahrerhaus und die Endmontage der Fahrzeuge. Daß d ie Unternehmensführung den Produktionsablauf zu ökonomisieren versucht, · geht unter anderem daraus hervor, da ß einerseits die Lagerbestände drastisch reduziert wurtlen unJd anrlerer.sei1s dier Arbet', ~Drc-7.eß auf d '.!1 ', V'.):n .i.c•we' 'igen Auftrag bestimmte Produkt ab11%timmt ist. Maßarbeit im Vordergrund Die Lkw-Herstellung -,- und üb• r igens auch die Landmaschinenproduktion in Sankt Valentin - bei Steyr ist nicht auf Großserien einund desselben Typs abgestellt. Sie läßt vielmehr die Möglichkeit offen, auf Sonderwünsche .aller Art einzugehen. Hier wird aus der Not - im internationalen Verglel.dh niedrige Stückzahlen - eine Tugend gemacht : Statt des Lkw von der Stange der Großproduzenten kann man bei Steyr gediegene Schwerfahrzeuge aller Art gewissermaßen nach Maß kauten. erzählte ein Kollege bei unserem Besuch, daß zu Frühlingsbeginn in ~n~ Steyr kein Puoh-Fa.hrradkiat a log aufzutreiben war. Die Erfahrungen mit vielen kleinen Mä ngeln dieser Art bestimmen die große Skepsis, mit der die Bel egschaft dem Management begegnet. Während Arbeiter und Techniker überprüfbare Spitzenleistungen erbringen, kann das in vielen Punkt en vom Vorstand und manchen ilh,rer „Gehilfen" .im Dit'e·ktorE-n- oder Prokuristenrang nicht behauptet werden. Grundlage dafür ist der hohe Facharbeiteranteil der -Belegschaft und ihre durchwe~ hohe Qual:fi.katlon. Dazu komint · die große Ferti· gungstiefe des Betriebes. Statt des Zusammenbaues .von zugekauften !Elementen . wird alles In Eigenregie ·hergestellt, was sinnvoll und ökonomisch vertretbar ist. iDas aber wieder ist die Grundlage dafür, daß die Steyr-Arbeiter Dinge können, d ie in den Betrieben der Fahrzeugmultis nicht beherrscht werden. Das trifft etwa zu auf die Gronpressenabteilung, wo an zwrl Stock hohen Geräten Im Wert von 25 Millionen Schilling - samt Ein· baukosten müssen pro Stück ganze ~o Millionen aur1~ewendet werden - Karosserieteile aller Art, Benzintanks usw. kalt gezogen werden. Bei den Einlegern handelt es sich um t>ochoooMfl zle-rt„ Facha-rbeiter, deren Produktionserfolg weitgehend von pn,ktiS{'h erworbenem Know-'h.orw abhängig Ist. Jede Fertigungs- und Montageh a lle im Steyr-Werk ist ein verwirrendes Aggregat von Maschinen, Montageplätzen und Produktionsautomaten. Die Rationalisierung sdhil.äi;,t sich bei den besonderen Produktionsbedingungen des Werkes weniger in Automatenstraßen n ieder. Sie greift h ier vor allem bei der Anwendung von numerisch gesteuerten, vielseitig anwendbaren Metallbearbeitungsmaschinen - also eher bei der Herstellung der Einzelteile als der Fertigung des Gesamtprodukts . Diese Konzeption macht die qualifi zierte menschliche Arbeit nicht überflüssig, sondern steigert ihren Stellenwert enorm. Es ist etwas anderts, an einer Stanze zu sitzen, die es h ier auch noch gibt, als einen Produkt ionsautomaten zu programmier en und seinen Arbeitsablauf zu steuern und zu tiberwachen. In Zukunft freilich wird es auch im Steyr-Werk Industrieroboter geben. Demnächst sollen sie im Bereich der Fahrerhausmontage eingesetzt werden, und das dort noch gängige händische Punktschweißen völl ig erübrigen. Rationalisierungsreserven bietet allerdings auch die Einzelteilefertigung, wo noch reihenweise eun.fache Ma:;chin ~n durch kom - plexere bezielhun~weise Autmnaten erse '.2,t weden können. Aus dem Blickwinkel der menschlichen Arbeit ist das an sich kein Malheur, sofern die Gesamtgesellschaft in der Lage ist, das Recht auf Arbeit und immer menschlichere Arbeit zu ga.rantieren. Bestechend beispielsweise ein Automat in der Lakk iererei für Motoren und Getriebe. Dort werkt in einer abgedichteten Kammer eine Spritzpistole wie von Geisterhand gezogen. Das Geheim-

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